Abstract:
Die hierarchischen Mikro-/Nanostrukturen, welche die Blütenblattoberflächen einer Vielzahl von Blütenpflanzen zieren, weisen oftmals hervorragende Lichtsammlungs- sowie Selbstreinigungseigenschaften auf. Diese Qualitäten können mit Hilfe von direkten Replikationsverfahren technisch nutzbar gemacht werden, beispielsweise für die photovoltaische Stromerzeugung. Replikationsverfahren zielen darauf ab die multi-skalige Oberflächenstruktur von Blütenblättern in ein transparentes Polymer zu übertragen und auf der Vorderseite von Solarmodulen aufzubringen. Im Laufe der letzten Jahren haben sich hauptsächlich Polymerabgüsse und die sog. ... mehrSoft-Imprint Nanolithographie als gängige Verfahren zur direkten Kopie von (sowohl künstlich hergestellten, als auch) natürlichen Mikro-, Nano-, und multi-skaligen Strukturen in adäquate technische Materialien, wie z.B. Polymere zur Ausnutzung ihrer hochoptimierten optischen und/oder Benetzungseigenschaften für optoelektronische Bauteile, etabliert. Eine großflächige Anwendung dieser Verfahren wurde jedoch bislang aufgrund der naturgegebenen Maximalgröße von Blütenblättern nicht etabliert. Des Weiteren kann auf Basis eines einzigen Polymerstempel nur eine limitierte Anzahl an Replikaten mit hoher Strukturqualität mittels Soft-Imprint hergestellt werden.
Ein Teil dieser Arbeit befasst sich mit der Überwindung dieser Hürden durch Weiterentwicklung der Replikationstechniken für pflanzliche Oberflächenstrukturen. Eine solche, in der Fläche hochskalierte Bioreplikationsmethode mit gleichzeitig erheblich gesteigertem Durchsatz wird in dieser Arbeit am Beispiel der hierarchischen Oberflächenstruktur von Rosenblütenblättern als natürliche Strukturvorlage aufgezeigt. Das vorgestellte Verfahren basiert auf der Entwicklung metallischer Prägewerkzeuge, welche in einem statischen Heißprägeprozess eingesetzt werden. Diese Entwicklung ermöglicht die Herstellung von Replikaten pflanzlicher Oberflächenstrukturen mit hoher Strukturqualität, in nie dagewesener Stückzahl, und erstmals auch in einer für eine Integration in kommerzielle Solarmodule relevanten Größe. Die hochskalierten, temperaturstabilen und mechanisch robusten Prägewerkzeuge werden dabei per galvanischer Nickelabscheidung hergestellt. Die primäre Strukturvorlage für diesen Prozess wird dabei durch vorsichtige Aneinanderreihung mehrerer natürlicher Rosenblütenblätter zu einer möglichst lücken- und nahtlos strukturierten Einheit erzeugt. Der Heißprägeprozess zur Herstellung hochskalierter Polymerreplikate der Rosenblütenblattstruktur wird anhand von drei verschiedenen, transparenten Folienmaterialien diskutiert. Sowohl für Polymethylmethacrylat (PMMA), Polycarbonat (PC), und Fluorethylen-Propylen (FEP) wird mit Hilfe des entwickelten Replikationsverfahrens eine hervorragende Strukturtreue über mehrere Längenskalen hinweg, vom sub-Mikrometer Bereich bis hin zu makroskopischen Merkmalen, mit gleichzeitig nahezu durchgängiger Strukturierung bei einer gesamten Strukturfläche von bis zu 12.5 cm×10.0 cm pro Replikat erzielt.
Als vorderseitige Beschichtung für Kupfer-Indium-Gallium-Diselenid (CIGS) Solarzellen erweisen sich heißgeprägten Rosenreplikate als effektive Antireflex- und Light-Trapping-Maßnahme für einen breiten Spektralbereich und besonders für Lichteinfallswinkel >50°. Mit heißgeprägten Rosenreplikaten aus PMMA lässt sich sogar bei senkrechtem Lichteinfall eine gegenüber einer optimierten Magnesiumfluorid (MgF2) Antireflexbeschichtung verbesserte Antireflexwirkung feststellen. Optoelektronische Messungen bestätigen, dass sich diese Reflexionsverminderung auch entsprechend auf die Nennleistung der Solarzellen auswirkt, mit einer um im Mittel um 5.7%±0.6% gesteigerten Umwandlungseffizienz (verglichen mit den jeweiligen Solarzellen vor Aufbringung der Antireflexschichten) im Falle von PMMA Rosenreplikaten und 4.5%±1.6% für MgF2 Dünnschicht-Antireflexbeschichtungen.
Weiter wird gezeigt, dass heißgeprägte Rosenreplikate auch mit wasserabweisenden Eigenschaften (mit einem statischer Kontaktwinkel von 134.4°±4.3°) erzeugt werden können, sogar ohne dabei auf zusätzliche Schritte zur Oberflächenmodifikation zurückgreifen zu müssen. Dazu wird als Ausgangsmaterial für den Heißprägeprozess ein Polymermaterial mit geringer freier Oberflächenenergie benötigt, was beispielsweise bei FEP gegeben ist. Wassertropfen, die auf geneigte FEP Rosenreplikate fallen, perlen von diesen sofort und restlos ab, was auf eine potentielle Eignung von FEP Rosenreplikaten zur Produktion selbstreinigender Solarmodule hindeutet.
Der Leistungszuwachs, der durch die Anwendung der hochskalierten PMMA Rosenreplikate bewirkt wird, wird des Weiteren auch unter realistischen Betriebsbedingungen über neun Monaten Betrieb unter Außenbedingungen in Karlsruhe (Deutschland) untersucht, und zwar für 10 cm×10 cm CIGS und siliziumbasierte Solarmodule unter verschiedenen Modulneigungswinkeln und Modulorientierungen. Besonders hohe Steigerungen der täglichen Energieausbeute verglichen mit einem Referenzmodul ohne strukturierte Polymerfolie von bis zu deutlich über 10% werden dabei vor allem unter Aufstellbedingungen gemessen, die mit viel direkter Sonneneinstrahlung unter schrägem Lichteinfall einhergehen. Mit Hilfe beschleunigter Alterungs- und Abnutzungstests, welche standardisierten Testprotokollen aus der PV Industrie nachempfunden sind, wird außerdem auf die potentielle Langzeiteignung solch strukturierter Folien auf Solarmoduloberflächen hingewiesen.
Außerdem werden die optischen Eigenschaften typischer Blütenblattstrukturen auf Solarzellen mit Hilfe einer speziell entwickelten 3D Mikrostruktur-Modellierungs- und Simulationsroutine, basierend auf Monte-Carlo-Raytracing und der Transfer-Matrix-Methode, hinsichtlich des Einflusses ungeordneter Strukturbausteine auf die Lichteinkopplungseigenschaften im Detail diskutiert. Durch Variation der Stärke der strukturellen Unordnung sowohl in der Höhe, der Anordnung, als auch der Neigung der Strukturbausteine der betrachteten, Blütenblattepidermis-inspirierten Mikrostrukturen lässt sich zeigen, dass ihre winkelabhängigen Reflexionseigenschaften nur schwach von Unordnung abhängen und in erster Linie vom mittleren Aspektverhältnis und der mittleren Packungsdichte der Strukturbausteine bestimmt werden.
Schließlich werden die Polarisationseigenschaften von an Solarmodulen reflektiertem Licht hinsichtlich der möglichen schädlichen Auswirkungen auf polarotaktische Insektenarten diskutiert. Die vorderseitige Glasabdeckung herkömmlicher Solarmodule reflektiert aufgrund ihrer glatten Oberfläche linear polarisiertes Licht, wobei der Polarisationsgrad vom Einfallswinkel/ Betrachtungswinkel abhängt (vollständige lineare Polarisation bei Betrachtung unter dem Brewster-Winkel). Unbeabsichtigt wird dadurch der Insektenfauna geschadet, da polarotaktische Insekten Solarmodule als solche nicht erkennen und diese fälschlicherweise oft als Gewässer identifizieren, was dann beispielsweise eine Eierablage an einem ungeeigneten Ort und damit den Verlust der Nachkommen zur Folge haben kann. Experimente im Freifeld zeigen jedoch erstmals, dass keinerlei derartige schädliche Anziehungswirkung auf polarotaktische Eintagsfliegen (Ephemeroptera: Ephemera danica) und Bremsen (Diptera: Tabanidae) im Falle von PMMA Rosenreplikaten auf Solarmodulen zu befürchten ist. Basierend auf bildgebender Polarimetrie und Monte-Carlo-Raytracing-Simulationen werden diese Resultate auf die optischen Eigenschaften mikrostrukturierter Oberflächen zurückgeführt.
Abstract (englisch):
The hierarchical micro-/nanotextures, which adorn the petal surfaces of a majority of flowering plant species, have been reported to often exhibit outstanding sunlight-capturing as well as self-cleaning properties. Both of these qualities can be exploited for photovoltaics (PV) via direct replication methods capable of transferring the multi-scale surface structure of a respective flower petal into transparent polymeric materials and onto the front surfaces of solar panels. In recent years, polymer casting and soft-imprint nanolithography have been the most widely used methods for directly copying (artificial as well as) natural micro-, nano-, and multi-scale-structures into an adequate technical material such as a polymer in order to exploit their highly optimized optical and/or wetting properties for optoelectronic devices. ... mehrHowever, for large-scale applications, these methods have so far been hampered by the nature-given size limitations immanent in flower petals and by the limited number of high-quality soft-imprint replicas that can be produced from a single (polymeric) mold.
Part of this contribution is dedicated to overcoming both these issues by demonstrating an upscaled bioreplication approach for the hierarchical surface structure of rose petals based on static hot-embossing lithography using metallic mold inserts, thereby paving the way towards a high-throughput production of high-quality replicas of plant surface structures on relevant length scales. After the careful assembly of several natural rose petals into gapless arrays, mechanically stable, temperature resistant, and large-area nickel mold inserts are fabricated based on these upscaled templates by utilizing nickel electroforming. Subsequently, upscaled polymeric replicas are produced from these molds via hot-embossing lithography using three different free-standing thermoplastic foil materials, namely poly(methyl methacrylate) (PMMA), polycarbonate (PC), and fluorinated ethylene propylene (FEP). A high replication fidelity from the sub-micron to the centimeter scale while reaching continuously structured areas of up to 12.5 cm×10.0 cm per replica is demonstrated for all three polymer materials considered.
Using such hot-embossed rose petal replicas as cover layers of copper indium gallium diselenide (CIGS) solar cells, efficient antireflection and light-trapping properties are observed for a broad spectral range and especially for oblique incidence angles above 50°. For normal light incidence, rose petal textured PMMA foils are even shown to reduce reflection losses more effectively than state-of-the-art magnesium fluoride (MgF2) thin-film antireflective layers. Experimental characterizations of the opto-electrical performance of high-efficiency CIGS single solar cells with various cover layer configurations confirm this trend, resulting in an average increase in device efficiency of 5.7%±0.6% for CIGS solar cells covered with PMMA rose petal replicas, while MgF2 antireflective coatings are found to induce an average performance gain of 4.5%±1.6% relative to the respective device efficiencies before applying the antireflective coatings.
It is further demonstrated that, without any additional surface treatment, hot-embossed rose petal replicas can reach strong hydrophobicity with a static water contact angle of 134.4°±4.3° by employing the low surface free energy polymer FEP in the thermal imprinting routine. Experiments with water droplets falling onto tilted FEP rose petal replicas further highlight a pronounced water repellency and indicate their potential for introducing self-cleaning properties in PV devices.
The performance gain induced by applying upscaled PMMA rose petal replicated light-harvesting layers is also assessed for 10 cm×10 cm silicon-based as well as CIGS mini-modules under realistic operational conditions for fixed installations with various module orientations and tilt angles over a period of nine months in Karlsruhe, Germany. Under conditions where much direct sunlight reaches the modules under oblique incidence angles, daily gains in energy yield relative to a planar cover layer configuration may reach exceptionally high values even well above 10%. Accelerated aging and abrasion tests following several standardized testing protocols widely used throughout the PV industry further promote the long-term applicability of PMMA rose petal replicated PV light-harvesting layers under outdoor conditions.
Moreover, the efficient light-harvesting properties of typical petal surface structures on thin-film solar cells are analyzed in more detail by utilizing a specially developed 3D microstructure modeling routine and a combination of Monte-Carlo ray-tracing simulations and transfer-matrix calculations, mostly with a view on the impact of structural disorder on light in-coupling. Irrespective of the degree of disorder in height, positioning, or tilt angle of the petal-epidermal-cell-mimicking micro-cones, it is shown that the angle-dependent reflectance of such microstructures is mainly governed by the average aspect ratio of the micro-cones, and secondly by their average packing density.
Lastly, the polarization properties of light reflected from solar panels and its harmful impact on populations of polarotactic water-seeking insects are studied. Typical glass-encapsulated PV modules inadvertently attract various species of water-seeking insects through the linearly polarized light they reflect from their smooth surfaces (the degree of linear polarization depends on the incidence/observation angle, and full linear polarization is observed under Brewster’s angle), which may cause a misidentification of solar panels as bodies of water and thereby lead to harmful impacts on the entomofauna. Field experiments studying the maladaptive attractiveness of rose petal replicated PMMA layers to polarotactic mayflies (Ephemeroptera: Ephemera danica) and horseflies (Diptera: Tabanidae) demonstrate nearly zero harmful attractiveness of rose petal replicated PMMA surfaces to both polarotactic insect species considered. This observation is linked to the optical properties of microstructured surfaces on the basis of imaging polarimetric measurements as well as Monte-Carlo ray-tracing simulations.