Abstract:
Neben Deutschland, verfolgen auch weitere Länder wie Finnland oder Schweden, welche Kernenergie zur Stromerzeugung nutzen, für ausgediente Brennelemente (BE) das Konzept der direkten Endlagerung. Dieses sieht vor, dass BE nach dem Entladen aus dem Kernreaktor zunächst für einige Jahre unter Wasser in reaktornahen Brennelementlagerbecken gelagert werden, bevor sie zur weiteren Zwischenlagerung in einen Transport- und Lagerbehälter (TLB), wie beispielsweise dem CASTOR® der Gesellschaft für Nuklear-Service überführt und in einer Einrichtung zur Zwischenlagerung eingelagert werden. ... mehrSchließlich sollen die BE in ein tiefengeologisches Endlager verbracht werden. So werden beispielsweise in Deutschland, Spanien und den Vereinigten Staaten von Amerika die TLB mit ausgedienten BE in Zwischenlagern in der Nähe der Kernkraftwerke aufbewahrt, aus denen der Kernbrennstoff aus dem Reaktor entladen wurde. Während einer solchen trockenen Zwischenlagerung verbleiben die BE in den TLB bis zur Bereitstellung eines Endlagers für hochradioaktive Abfälle. Der Beginn des Einlagerungsbetriebs hochradioaktiver Abfälle ist in den nächsten Jahren (Finnland und Schweden) beziehungsweise Jahrzehnten (z.B. Schweiz und weitere europäische Staaten) geplant. Da der TLB nicht zur Endlagerung zugelassen ist, müssen die BE dann in einen geeigneten Endlagerbehälter überführt werden. Die Integrität der Brennstabhüllrohre bei der Umladung vom TLB zum Endlagerbehälter ist entscheidend, da sonst bei einem Versagen des Hüllrohres, Radionuklide freigesetzt werden könnten.
Bereits während des Reaktorbetriebes werden die Zircaloy-Hüllrohre durch verschiedene Prozesse, wie z.B. transienter Längung der Brennstäbe, Oxidation auf der Brennstoff- und Wasserseite, Bildung von Zirkonium-Hydriden und mechanischer Belastung, welche das mit zunehmenden Abbrand anschwellende Brennstoffpellet auf das Hüllrohr ausübt, beeinträchtigt.
Weiterhin, wird im Rahmen von Langzeitsicherheitsuntersuchungen für Endlager von radioaktiven Abfällen der Kontakt von Grundwässern mit den eingelagerten Abfällen betrachtet. Je nach Klassifikation der nuklearen Entsorgungsorganisationen der einzelnen Staaten, bildet das Hüllrohr hierbei einen Teil der technischen Barriere, dessen Versagen zu einer Freisetzung von Radionukliden führt, d.h. zur Freisetzung von Aktivierungsprodukten aus dem Hüllrohr, sowie zur Radionuklidfreisetzung aus dem Kernbrennstoff infolge des Durchdringens von Wasser durch das Hüllrohr zum Brennstoff. In diesem Kontext sind verschiedene Spalt- und Aktivierungsprodukte wie unter anderem C-14, Cl-36, Cs-135 und I-129 aufgrund langer Halbwertszeiten, der erwarteten schnellen Freisetzung aus dem Abfall und erhöhten Mobilität im Endlagersystem von großem Interesse.
Die vorliegende Doktorarbeit befasst sich mit dem Verhalten beta- und gammastrahlender Nuklide wie Cl-36, Cs-137 und I-129, welche sich während des Reaktorbetriebes aus dem Kernbrennstoff an die Kernbrennstoffpellet-Hüllrohr-Grenzfläche abscheiden. Im Zuge von Untersuchungen wird zunächst das Inventar der Radionuklide an diesen Grenzflächen bzw. im Kernbrennstoff und Zircaloy-Hüllrohr experimentell bestimmt und mit Daten aus Monte Carlo N-particle Code und CINDER sowie webKORIGEN Berechnungen verglichen. Zur exakten experimentellen Bestimmung des Cl-36- und I 129-Inventars ist es nötig, einen radiochemischen Trennungsgang für hochradioaktive Proben zu entwickeln, der eine quantitative Analyse der beiden Nuklide erlaubt. Da Cl 36 keine und I-129 nur sehr niederenergetische, charakteristische Gammalinien besitzen, ist eine experimentelle Inventarbestimmung nur durch eine vorherige aufwendige Separation dieser beiden Isotopen von allen anderen Radionukliden möglich. Die Methode, welche in dieser Arbeit entwickelt wurde erlaubt die fundierte Abtrennung und Quantifizierung von Cl-36 und I-129 mittels verschiedenen Extraktions- und Fällungsschritten von anderen Radionukliden, welche sich in Überschüssen von mehreren Größenordnungen in hoch radioaktiven Proben befinden. Die in der Arbeit präsentierten Ergebnisse liefern Informationen zu der tatsächlich gebildeten Quantität an Cl-36, welches durch Neutronenaktivierung in hoch radioaktiven Abfällen generiert wurde, und darüber hinaus, werden Aussagen über die Menge der Cl-35 Verunreinigung getroffen. Des Weiteren wird gezeigt, dass I-129 über einen Temperatur-getriebenen Prozess vom heißen Pellet-Zentrum zu der Randregion, welche in Kontakt mit dem kälteren Hüllrohr steht, transportiert wird, was zu einer Anreicherung des flüchtigen Radionuklids dort führt. Zusätzlich zur Bestimmung von Cl-36 und I-129 Aktivitäten, wurden weitere Radionuklide (Transurane, Spalt- und Aktivierungsprodukte) in den hoch radioaktiven Proben, in Hinblick auf Anreicherungsfaktoren wie beispielsweise in der Wechselwirkungsschicht zwischen Kernbrennstoff und Hüllrohr in abgebranntem Kernbrennstoff, bestimmt und quantifiziert. Die in dieser Arbeit durchgeführten, experimentellen Radionuklidmessungen befinden sich in Einklang mit Werten, welche aus Berechnungen erhalten wurden und tragen zu einem erweiterten Kenntnisstand der Verteilung von Radionukliden in abgebranntem Kernbrennstoff bei und somit auch zur genaueren Bestimmung des Quellterms für bestrahlten Kernbrennstoff.
Im zweiten Teil der Doktorarbeit werden verschiedene spektroskopische Methoden, wie Rasterelektronenmikroskopie, gekoppelt mit energiedispersiver bzw. wellenlängen-dispersiver Röntgenspektroskopie (REM-EDS / -WDS), Röntgenphotoelektronen-spektroskopie (XPS), sowie Röntgenabsorptionsspektroskopie (XAS) zur Analyse der Kernbrennstoff-Hüllrohr-Grenzflächen eingesetzt. Hierbei wird die chemische Zusammensetzung von Cäsium / Chlor / Iod haltigen Phasen innerhalb der Kernbrennstoff-Hüllrohr-Wechselwirkungsschicht in verschiedenen bestrahlten Brennstoffarten (UOX- und Mischoxidbrennstoff (MOX)), sowie bei verschiedenen Abbränden (50,4 GWd/tHM und 38,0 GWd/tHM) näher untersucht. Es ist offensichtlich, dass die Chemie der Wechselwirkungsschicht weitaus komplizierter ist als oftmals in vergangener Literatur berichtet, z.B. nur das Vorhandensein von CsI, UO2 oder einer Mischverbindung aus Zirkonium und Uran (Zr, U)O2-x. Nach Kenntnisstand des Autors, ist es das erste Mal, dass Synchrotronstrahlungs-basierte Cl und I K Kanten Messungen an abgebrannten Kernbrennstofffragmenten und Hüllrohrsegmenten durchgeführt werden, welche in Iod-haltigen Verbindungen mit struktureller Ähnlichkeit zu CsI und einer bis dato zu identifizierenden Chlor-haltigen Verbindung resultieren. Diese Messungen haben das Ziel, zu einem besseren Verständnis des Vorkommens von Iod- und Chlor-haltigen Agglomeraten in abgebranntem Kernbrennstoff beizutragen.
Der letzte Teil der Arbeit behandelt mögliche, korrosive Auswirkungen von Spalt- und Aktivierungsproduktablagerungen an den Grenzflächen von Hüllrohren und deren Effekt die Integrität von Hüllrohren bestrahlter Brennstäbe im Hinblick auf eine verlängerte, trockene Zwischenlagerung. Hierzu werden U-O-Zr-Cs-Cl-I-haltige Phasen auf unbestrahltes Zircaloy aufgebracht und für einen längeren Zeitraum unter zwischenlagerrelevanten Bedingungen, Inertgas und erhöhter Temperatur aufbewahrt. Im Anschluss daran werden die erhaltenen Proben mittels REM-EDS und XPS analysiert, um Rückschlüsse auf deren Korrosions- und Versprödungsverhalten zu erhalten. Die Ergebnisse, welche aus diesem Experiment erhalten wurden, deuten auf Lochfraßkorrosions-Prozesse des Zircaloy-Hüllrohrs, ausgelöst durch die Halogen-haltigen Spezies, unter oben genannten Bedingungen hin. Insbesondere wird das Verhalten der Verunreinigung Chlor in Kernbrennstoff und Hüllrohrmaterialien durch dieses Experiment hervorgehoben, da sein Effekt auf eine mögliche Degradation von Hüllrohren unter Zwischenlagerungsbedingungen noch immer mit Unsicherheiten verbunden ist. Allerdings sind weitere Untersuchungen zur Bestätigung dieses Befunds notwendig. Die experimentellen Bedingungen sind nur eingeschränkt repräsentativ für die Zwischenlagerung. Der Einfluss von Strahlung wird nicht betrachtet und trotz des Arbeitens unter Ar Atmosphäre wurde eine unerwartet deutliche Oxidation des eingesetzten UO2 beobachtet.
Ein Teil der Arbeiten dieser Dissertation stellen einen Beitrag zum EURAD Arbeitspaket „Spent fuel characerization and evolution until disposal“ dar.
Abstract (englisch):
In several countries utilising nuclear power plants as energy source, e.g. Finland, Germany and Sweden, the concept of direct geological disposal of spent nuclear fuel (SNF) is considered. This suggests to store SNF after discharge from the nuclear reactor for few years under water in reactor-site storing pools until transfer out of the reactor building to an interim storage facility. In case of dry interim storage, the irradiated fuel assemblies are emplaced in multi-purpose transport and storage casks, such as the CASTOR® of Gesellschaft für Nuklear-Service. Eventually, the SNF is transferred to a deep geological repository. ... mehrFor instance in Germany, Spain and the United States of America, multi-purpose casks with SNF are stored in dry interim storage facilities, mostly located in close vicinity to the nuclear power plants, where the SNF was discharged from. It is foreseen to keep the SNF in transport and storage casks until a final repository for high-level waste (HLW) will be in operation. Begin of operation of final repositories for HLW are expected in the next years (Finland and Sweden), respectively decades (e.g. Switzerland and other European countries). Since transport and storage casks are not licensed for final disposal, the SNF needs to be transferred into a suitable final disposal container. The integrity of the fuel claddings during the transfer from transport and storage casks to final disposal containers is of utter importance, to ensure that radionuclides (RN) will not be released by failure of the cladding tube.
Already during reactor operation, the Zircaloy cladding tubes undergo different processes, such as transient elongation of the fuel rod, oxidation of the fuel- and the water-faced sides, formation of zirconium hydrides, as well as mechanical stress, which correlates with the fuel pellet swelling at higher burn-ups.
Furthermore, in case of long-term safety analyses for final repositories, the contact of groundwater with the stored nuclear waste is considered. Depending on the classification of the national waste management organisations of the individual countries, at this, the cladding tube is considered as a technical barrier whose failure leads to a release of radionuclides, in particular activation products from the cladding as well as RNs from the fuel following the water penetration through the breached cladding to the SNF. In this context, various activation and fission products, such as, for example C-14, Cl-36, Cs 135 and I-129 are of significant interest due to their long half-lives, expected rapid release from the waste and high mobility in a repository system.
This Ph.D. thesis addresses the occurrence of the beta and gamma radiation-emitting radionuclides Cl-36, Cs-137 and I-129, which are segregated to some extent from the fuel to the pellet-cladding interface during reactor operation. As part of these investigations, the inventory of radionuclides at the interface, respectively the inventory of the irradiated fuel and the Zircaloy cladding tube will be determined experimentally and compared to activation calculations obtained by Monte Carlo N-particle code and CINDER as well as webKORIGEN calculations. For the precise identification of the Cl-36 and I-129 inventory, it is necessary to develop a radiochemical separation process, which allows a quantitative analysis of both of the nuclides. Since Cl-36 has no and I-129 very low energy gamma-lines, an experimental inventory determination is only possible by a complex separation of these two isotopes from other radionuclides. The method developed in this work allows the profound separation and quantification of Cl-36 and I 129 from other interfering radionuclides, present in excess by many orders of magnitude in highly radioactive specimens, by using various extraction and precipitation steps. The results presented in this work provide information on the actual proportion of Cl-36 generated by neutron activation in highly radioactive waste, as well as on the amount of the initial Cl-35 impurity. Furthermore, it is shown, that I-129 is transported by a temperature driven process from the hot pellet centre to the peripheral area, adjacent to the colder cladding, resulting in the enrichment of the volatile radionuclide. In addition to the determination of Cl-36 and I-129 activities, other radionuclides (i.e. transuranium isotopes, fission and activation products) in the highly radioactive samples were determined and quantified with respect to enrichment factors in e.g. the fuel-cladding interaction layer in the spent nuclear fuel. The experimental radionuclide measurements performed within this thesis are in good agreement with values derived from calculations and are providing further knowledge on the distribution of radionuclides in spent nuclear fuel and thus also to the more accurate determination of the source term for irradiated fuel.
In the second part of the thesis, different spectroscopic methods like scanning electron microscopy and energy / wavelength dispersive X-ray spectroscopy (SEM-EDS / -WDS) as well as X-ray photoelectron spectroscopy (XPS) and X-ray absorption spectroscopy (XAS) are used for the analysis of the fuel-cladding interface. Here, examinations of the occurrence of caesium / chlorine / iodine containing phases within the fuel-cladding interaction layer of different irradiated fuel-types (UOX and mixed oxide fuel (MOX)) as well as different burn-ups (50.4 GWd/tHM and 38.0 GWd/tHM) are performed. It is evident, that the chemistry at the interface is far more complex than often reported in the past literature, such as solely the occurrence of CsI, UO2 or a mixed compound of zirconium and uranium ((Zr, U)O2-x). To the knowledge of the author, it is the first time that synchrotron radiation based Cl and I K edge measurements are performed on actual spent nuclear fuel fragments and Zircaloy cladding segments, resulting in an iodine-bearing compound with structural similarity to CsI and a yet to be identified chlorine-bearing compound. These measurements aim to provide a better understanding on the occurrence of iodine and chlorine-bearing agglomerates in spent nuclear fuel.
The last part of the thesis focusses on possible corrosive effects of fission and activation product agglomerates on the interface layer, impacting the cladding integrity of spent nuclear fuel rods with regard to a prolonged dry interim storage. Hereto, U-O-Zr-Cs-Cl-I-containing phases are deposited on unirradiated Zircaloy and stored under inert gas and elevated temperature for an extended period of time. Afterwards the resulting samples are analysed by SEM-EDS and XPS to draw conclusions on their corrosion and embrittlement behaviour. Results obtained from this experiment indicate pitting corrosion processes on the Zircaloy cladding under the above mentioned conditions, enabled by the halogen-bearing species. Especially the role of the impurity chlorine in nuclear fuel and cladding material is highlighted by this experiment as its effects on possible cladding degradation under interim storage conditions is till now afflicted with uncertainties. However, it is evident, that more experiments are needed to elucidate this effect. The applied experimental conditions are not fully representative for the interim storage environment. The effect of radiation is not considered and a significant oxidation of the introduced UO2 was found unexpectedly, despite working under Ar atmosphere.
The work of this thesis is performed in part within the EURAD work package “Spent fuel characterization and evolution until disposal”.