Abstract:
Der Klimawandel, das zunehmende Bevölkerungswachstum sowie die damit verbundene Verknappung von Ressourcen zählen zu den zentralen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts und erfordern langfristig eine Umstrukturierung der auf fossilen Energieträgern basierenden Wirtschaft hin zu einem verstärkten Einsatz nachwachsender Rohstoffe in ressourcenschonenden, kreislauffähigen Prozessen. Lignocellulosehaltige Restströme aus der Land- und Forstwirtschaft eignen sich in besonderem Maße als solche Rohstoffe, da sie dank ihrer hohen Verfügbarkeit kostengünstig sind und zudem den Vorteil bieten, nicht in Konkurrenz zur Lebensmittelindustrie zu stehen. ... mehr
Das wässrige Kondensat, das bei der pyrolytischen Umwandlung von Weizenstroh zu flüssigen Biokraftstoffen entsteht, fällt aufgrund seines hohen Wassergehalts und niedrigen Heizwertes derzeit als ein solcher lignocellulosebasierter Reststrom an. Es enthält jedoch diverse organische Kohlenstoffverbindungen, die es für eine stoffliche Verwertung als Substrat in mikrobiellen Fermentationen interessant machen. Als besonders vielversprechend ist dabei der Einsatz für eine biotechnologische L-Äpfelsäureproduktion mit dem Schimmelpilz Aspergillus oryzae anzusehen, da der natürliche Säureproduzent in der Lage ist, mit Acetat einen der Hauptbestandteile des Pyrolysekondensats zu verstoffwechseln. Da Äpfelsäure aktuell weitestgehend über chemische Synthese aus fossilen Rohstoffen gewonnen wird, könnte mit diesem Vorhaben gleichzeitig das Anfallen eines ungenutzten Reststromes vermieden und ein bio-basierter Säureproduktionsprozess etabliert werden, der aufgrund der geringen Substratkosten wirtschaftlich konkurrenzfähiger zu herkömmlichen Herstellungsverfahren ist.
Das Hauptziel dieser Arbeit bestand daher in der Etablierung eines Verfahrens zur Herstellung dieser vor allem für die Lebensmittelindustrie bedeutsamen organischen Säure auf Basis des Pyrolysekondensats. Da das sogenannte Schwelwasser neben verwertbaren Kohlenstoffen jedoch auch eine Vielzahl an Komponenten enthält, die das mikrobielle Wachstum erschweren, wurden in der aktuellen Arbeit auch potentielle Ansätze zur Erhöhung der pilzlichen Toleranz gegenüber dem Pyrolysekondensat untersucht.
Mittels Transkriptom-Analyse sollten dafür im 3. Kapitel dieser Dissertation Gene identifiziert werden, die bei der Verwendung von Schwelwasser als Substrat in Schüttelkolbenkulturen eine stark veränderte Expression im Vergleich zu Glucose und Acetat aufweisen. Solche Gene könnten in Zukunft als Ansatzpunkte für Manipulationen des Genoms von A. oryzae interessant sein, die auf die Verbesserung der Schwelwasserverwertbarkeit abzielen.
Da Acetat ein Hauptbestandteil des Schwelwassers ist, zeigten sich für beide Substrate verglichen mit Glukose teilweise ähnliche Änderungen in der Genexpression. Als zentrale transkriptionelle Reaktion auf das Wachstum in den acetathaltigen Kulturen wurde dabei die Hochregulierung von Genen beobachtet, die mit dem Glutathion-System sowie der Biosynthese der Aminosäuren Arginin, Serin, Cystein und Tryptophan assoziiert sind. Solche Expressionsänderungen wurden bereits als typische Reaktion auf externe Stressoren beschrieben und zeigen demnach, dass selbst der Einsatz von Acetat als alleiniges Substrat eine pilzliche Stressantwort induziert. Über den direkten Vergleich der Genexpression bei Wachstum auf Acetat und Schwelwasser konnte zudem ein Einblick in die transkriptionelle Antwort von A. oryzae auf die im Pyrolysekondensat vorhandenen Inhibitoren gewonnen werden. Der Pyruvat-Metabolismus erwies sich dabei als der einzige Stoffwechselweg mit einer signifikant unterschiedlichen Expression und umfasste in erster Linie Gene, die für verschiedene Alkoholdehydrogenasen sowie für am Abbau von Methylglyoxal beteiligte Enzyme kodieren. Zudem hatte sich bei Wachstum auf Schwelwasser eine stark erhöhte Expression eines sogenannten „old yellow enzymes“ ergeben. All diese Enzyme sind von großem Interesse für die Erhöhung der pilzlichen Schwelwassertoleranz mittels genetischer Modifikation, da sie mit dem Abbau der teils toxisch wirkenden Schwelwasserkomponenten Furfural, Acetol und 2-Cyclopenten-1-on in Verbindung stehen. Aber auch eine gezielte Variation des Expressionslevels von Genen des Glutathion-Systems und der Aminosäuresynthese können sich positiv auf die allgemeine Stressresistenz des Pilzes auswirken und zukünftig das Wachstum auf Schwelwasser erleichtern.
Da der A. oryzae DSM1863 Wildtypstamm ohne eine vorherige Entfernung inhibierender Komponenten nicht in der Lage ist, das Schwelwasser als Substrat zu nutzen, musste bereits im Vorfeld der Transkriptom-Analyse eine Detoxifizierung des Pyrolysekondensats mittels Overliming, Rotationsverdampfen und anschließender Aktivkohlebehandlung erfolgen. Die dadurch erzielte Steigerung der pilzlichen Schwelwassertoleranz war jedoch nicht ausreichend, um eine Malatproduktion zu gewährleisten, so dass im Kapitel 4 dieser Arbeit eine weitere Optimierung der Vorbehandlungsprozedur angestrebt wurde. Neben den bereits genannten Methoden zur Detoxifizierung des Schwelwassers wurde auch eine enzymatische Behandlung mit Laccase aus dem Weißfäulepilz Trametes versicolor durchgeführt, die sich vor allem gegen phenolische Komponenten des Kondensats richtet. Für jede einzelne Vorbehandlungsmethode wurden diverse Reaktionsbedingungen untersucht und die Detoxifizierungseffizienz anhand von Wachstumstests und der Analyse ausgewählter Schwelwasserkomponenten beurteilt. Dabei zeigte sich für die Laccasebehandlung trotz der Entfernung phenolischer Substanzen mit einem Wachstum auf maximal 1,25 % Schwelwasser keine nennenswerte Verbesserung der pilzlichen Toleranz im Vergleich zur unbehandelten Kontrolle. Im Gegensatz dazu ermöglichten die Behandlungen mit Aktivkohle, Overliming und Rotationsverdampfung unter optimierten Bedingungen ein pilzliches Wachstum auf Schwelwasserkonzentrationen von bis zu 1,625 %, 12,5 % bzw. 30 %. Als optimal wurde dabei für die Aktivkohlebehandlung eine Kohlenstoffkonzentration von 10 % und eine Behandlungsdauer von 10 min ermittelt, während die Overlimingbehandlung idealerweise bei einem mit NaOH eingestellten initialen pH-Wert von 12 und 100 °C durchgeführt werden sollte. Die besten Detoxifizierungsergebnisse wurden mit der 4-stündigen Rotationsverdampfung bei 200 mbar erzielt, da eine vollständige Entfernung von Guajakol und eine starke Verringerung der Konzentrationen von Acetol, Furfural, 2-Cyclopenten-1-on und Phenol um 84,9 %, 95,4 %, 97,7 % bzw. 86,2 % beobachtet wurden. Nach der Identifizierung der optimalen Reaktionsbedingungen wurden Kombinationen der einzelnen Detoxifizierungsmethoden durchgeführt und festgestellt, dass eine sequentielle Behandlung des Pyrolysekondensats mittels Rotationsverdampfung, Overliming und Aktivkohle die Nutzung von 100 % Schwelwasser als alleiniges Substrat für das Wachstum von A. oryzae ermöglicht.
In Kapitel 5 dieser Dissertation wurde schließlich evaluiert, inwieweit sich das Kondensat aus der Schnellpyrolyse nach einer Behandlung mit dem optimierten Detoxifizierungsverfahren auch für die pilzliche L-Äpfelsäureproduktion eignet. Nachdem die Transkriptom-Analyse bereits erste Hinweise darauf ergeben hatte, sollte jedoch zuvor geprüft werden, ob mit Acetol auch der zweite Hauptbestandteil des Schwelwassers von A. oryzae als Substrat verwertet werden kann. Es wurden daher verschiedene Konzentrationen des Ketons als alleinige C-Quelle sowie in einfachen Schwelwassermodellmischungen mit 40 g/L Acetat auf ihre Eignung für die pilzliche Biomassebildung und Malatproduktion untersucht. Dabei zeigte sich, dass Acetolgehalte von bis zu 40 g/L für das Wachstum von A. oryzae eingesetzt werden können, wobei jedoch mit steigender Konzentration eine zunehmende Inhibierung festgestellt wurde. Eine Äpfelsäureproduktion alleine auf Basis des Ketons schien hingegen nicht möglich. Auch in den Kultivierungen mit Modellschwelwässern war eine zunehmende inhibierende Wirkung des Ketons zu beobachten, so dass für Konzentrationen über 20 g/L Acetol weder Wachstum noch eine Malatproduktion verzeichnet werden konnten. Demnach erscheint eine Entfernung des Ketons aus dem Schwelwasser über entsprechende Vorbehandlungen in der Tat notwendig, um eine effektive Säureproduktion zu gewährleisten. Mithilfe der optimierten Detoxifizierungsprozedur aus dem vorherigen Kapitel konnte die Acetolkonzentration im Schwelwasser auf ca. 3 g/L herabgesetzt und so in einer ersten Schüttelkolbenkultivierung ein maximaler Malattiter von 3,37 ± 0,61 g/L erzielt werden. Der hohe pH-Wert der Kulturen wurde dabei als ein kritischer Faktor identifiziert, der die Produktion noch höherer Äpfelsäurekonzentrationen verhinderte. Es erfolgte daher nachfolgend eine Optimierung des Anfangs-pH-Wertes unter Verwendung von 96 % Schwefelsäure und 100 % Essigsäure, die eine Steigerung der Malatproduktion auf 8,29 ± 0,26 g/L bzw. 9,77 ± 0,55 g/L ermöglichte. Abschließend wurde ein Scale-up des optimierten Prozesses in 500 mL Bioreaktoren vorgenommen und dabei mit einer Gesamtproduktivität von 0,051 ± 0,002 g/(L∙h) der bisher höchste Wert unter allen in dieser Arbeit durchgeführten Schwelwasserkultivierungen erzielt.
Zusammenfassend konnte gezeigt werden, dass eine Verwendung des Pyrolysekondensats als Substrat für die Malatproduktion mit A. oryzae durch die Wahl geeigneter Detoxifizierungsmethoden grundsätzlich realisierbar ist. Um jedoch eine möglichst ganzheitliche Verwertung des Schwelwassers zu gewährleisten und die Kosten und den Aufwand für Vorbehandlungen so gering wie möglich zu halten, sollte auch der Ansatz einer genetischen Modifikation des Pilzes zukünftig weiterverfolgt werden. Mit dieser Arbeit wurde eine gute Grundlage für solche Ansätze geschaffen, da Gene identifiziert wurden, die an der Reaktion des Pilzes auf das Vorhandensein von Schwelwasser und den darin enthaltenen Inhibitoren beteiligt sind.
Abstract (englisch):
Climate change, an increasing world population and the associated scarcity of resources are among the key challenges of the 21st century and require a transformation of the fossil-based economy towards an intensified use of renewable feedstocks in resource-conserving processes. Lignocellulosic waste streams from agriculture and forestry are ideally suited as such feedstocks, as they are cost-effective owing to their high availability and also offer the advantage of not competing with the food industry.
The aqueous condensate formed during the pyrolytic conversion of wheat straw into liquid biofuels currently accumulates as such a lignocellulose-based waste stream due to its high water content and low calorific value. ... mehrHowever, it still contains a variety of organic carbons that render it an interesting candidate for utilization as a substrate in microbial fermentations. Its use for biotechnological L-malic acid production with the filamentous fungus Aspergillus oryzae appears particularly promising, as this natural acid producer is capable of metabolizing acetate, one of the main components of the pyrolytic condensate. Since malic acid is currently produced mainly by chemical synthesis from fossil resources, this approach could simultaneously avoid the accumulation of a waste stream and enable a bio-based acid production process that is more economically competitive with conventional synthesis due to the low substrate costs.
The main objective of this work was therefore to establish a process for the production of this industrially relevant organic acid based on the pyrolytic aqueous condensate (PAC). However, in addition to utilizable carbon sources, PAC also contains several substances that impede microbial growth. Hence, the present work also involved the evaluation of potential approaches to increase the fungal PAC tolerance.
For this purpose, transcriptome analysis was performed in the 3rd chapter of this thesis to identify genes that show highly altered expression levels when using PAC as a substrate in shake flask cultures compared to glucose or acetate. Such genes may be of interest as future targets for genetic modification of A. oryzae aimed at improving the fungal usability of the pyrolysis condensate. Since acetate is a major component of PAC, rather similar changes in gene expression were observed, when both substrates were compared to the glucose control. The central transcriptional response to growth in the acetate-containing cultures was the upregulation of genes related to the glutathione system and the biosynthesis of the amino acids arginine, serine, cysteine, and tryptophan. Such changes in expression have already been described as typical cellular reactions to external stressors and thus show that even the use of acetate as the sole substrate induces a general stress response. Direct comparison of gene expression during growth on acetate and PAC also provided insight into the transcriptional response of A. oryzae to inhibitors present in the pyrolysis condensate. Pyruvate metabolism proved to be the only significantly differentially expressed pathway between these two conditions and primarily included genes encoding various alcohol dehydrogenases and enzymes involved in the degradation of methylglyoxal. Furthermore, a strongly increased expression of a so-called "old yellow enzyme" was observed during growth on the pyrolysis condensate. All these enzymes are of great importance for improving the fungal tolerance by genetic modification, as they might be associated with the conversion of the partially toxic PAC components furfural, acetol, and 2-cyclopenten-1-one. However, targeted changes in the expression of genes related to the glutathione system and amino acid synthesis may also positively affect the overall stress resistance of the fungus, thus facilitating growth on the pyrolysis condensate.
Since the A. oryzae DSM1863 wild-type strain is unable to utilize PAC as a substrate without prior removal of inhibitory components, detoxification of the pyrolysis condensate by overliming, rotary evaporation, and subsequent activated carbon treatment was required before performing transcriptome analysis. However, the resulting increase in the fungal PAC tolerance was not sufficient to enable malate production, so further optimization of the pretreatment procedure was pursued in Chapter 4 of this thesis. In addition to the detoxification methods already mentioned, enzymatic treatment with laccase from the white rot fungus Trametes versicolor was studied, which is mainly aimed at the removal of phenolic components. For each pretreatment method, diverse reaction conditions were investigated and detoxification efficiency was assessed by growth tests and analysis of selected PAC components. Despite the removal of phenolic substances, laccase treatment did not significantly improve fungal tolerance towards the pyrolysis condensate, as the growth limit of 1.25 % PAC was comparable to the untreated control. By contrast, under optimized conditions, activated carbon, overliming, and rotary evaporation treatment allowed fungal growth on PAC concentrations up to 1.625 %, 12.5 %, and 30 %, respectively. A carbon load of 10 % and a treatment duration of 10 min were determined as optimal for the activated carbon treatment, whereas the overliming should ideally be performed at 100 °C and an initial pH of 12 adjusted with NaOH. The best detoxification results were obtained after 4 h of rotary evaporation at 200 mbar, as a complete removal of guaiacol and a strong reduction in the concentrations of acetol, furfural, 2-cyclopenten-1-one and phenol by 84.9 %, 95.4 %, 97.7 % and 86.2 %, respectively, were observed. After determining the optimal reaction conditions, all possible combinations of the individual detoxification methods were performed and it was found that sequential treatment of the pyrolysis condensate using rotary evaporation, overliming, and activated carbon allowed the use of 100 % PAC as the sole substrate for growth of A. oryzae.
Finally, in chapter 5 of this dissertation, it was evaluated whether treatment with the optimized detoxification procedure would allow fungal L-malic acid production from the carbon sources contained in the pyrolysis condensate. However, based on the indications that emerged from the results of the transcriptome analysis, it was first investigated whether acetol, the second main component of the PAC, might also serve as a potential carbon source (C-source) for A. oryzae cultivations. Therefore, the suitability of different acetol concentrations for fungal biomass formation and malate production was studied in shake flask cultures containing the ketone as the only C-source or in simple PAC model mixtures with 40 g/L acetate. It was found that acetol levels up to 40 g/L could be used as sole substrate for growth of A. oryzae, but increasing inhibition was observed with higher acetol concentrations. However, a formation of malic acid solely on the basis of the ketone did not seem feasible. An increasing inhibitory effect of acetol was also observed in the cultivations with PAC model mixtures, and a concentration of 20 g/L was found to be the upper limit for both growth and malate production. Accordingly, the removal of the ketone from the pyrolysis condensate by appropriate pretreatment methods seems indeed essential to ensure effective malic acid production. Using the optimized detoxification procedure from the previous chapter, the acetol concentration in the PAC was reduced to approximately 3 g/L, which allowed the formation of a maximum malate titer of 3.37 ± 0.61 g/L in a first shake flask cultivation. In this experiment, the high pH of the cultures was identified as a critical factor preventing the production of even higher malic acid concentrations. Therefore, an optimization of the initial medium pH was performed using 96 % sulfuric acid and 100 % acetic acid, resulting in an increase in malate titers to 8.29 ± 0.26 g/L and 9.77 ± 0.55 g/L, respectively. Finally, the optimized process was successfully transferred to 500 mL bioreactors, achieving a total malate productivity of 0.051 ± 0.002 g/(L∙h), which was the highest value among all PAC cultivations performed in this work.
In summary, it was shown that the choice of appropriate detoxification methods allows the use of the pyrolysis condensate as a substrate for malate production with A. oryzae. However, in order to strive for a complete utilization of the condensate and to keep the costs for pretreatment as low as possible, approaches to increase the fungal PAC tolerance by genetic modification should also be pursued in the future. This work has provided a good basis for such approaches by identifying genes involved in the fungal response to the presence of the pyrolysis condensate and the inhibitors it contains.