Abstract:
Materialermüdung ist die häufigste Ursache für mechanisches Versagen. Die Degradationsmechanismen, welche die Lebensdauer von Bauteilen bei vergleichsweise ausgeprägten zyklischen Belastungen bestimmen, sind gut bekannt. Bei Belastungen im makroskopisch elastischen Bereich hingegen, der (sehr) hochzyklischen Ermüdung, bestimmen die innere Struktur eines Werkstoffs und die Wechselwirkung kristallografischer Defekte die Lebensdauer. Unter diesen Umständen sind die inneren Degradationsphänomene auf der mikroskopischen Skala weitgehend reversibel und führen nicht zur Bildung kritischer Schädigungen, die kontinuierlich wachsen können. ... mehrAllerdings sind einige Kornensembles in polykristallinen Metallen, je nach den lokalen mikrostrukturellen Gegebenheiten, anfällig für Schädigungsinitiierung, Rissbildung und -wachstum und wirken daher als Schwachstellen. Daher weisen Bauteile, die solchen Belastungen ausgesetzt sind, oft eine ausgeprägte Lebensdauerstreuung auf. Die Tatsache, dass ein umfassendes mechanistisches Verständnis für diese Degradationsprozesse in verschiedenen Werkstoffen nicht vorliegt, hat zur Folge, dass die derzeitigen Modellierungsbemühungen die mittlere Lebensdauer und ihre Varianz in der Regel nur mit unbefriedigender Genauigkeit vorhersagen. Dies wiederum erschwert die Bauteilauslegung und macht die Nutzung von Sicherheitsfaktoren während des Dimensionierungsprozesses erforderlich.
Abhilfe kann geschaffen werden, indem umfangreiche Daten zu Einflussfaktoren und deren Wirkung auf die Bildung initialer Ermüdungsschädigungen erhoben werden. Die Datenknappheit wirkt sich nach wie vor negativ auf Datenwissenschaftler und Modellierungsexperten aus, die versuchen, trotz geringer Stichprobengröße und unvollständigen Merkmalsräumen, mikrostrukturelle Abhängigkeiten abzuleiten, datengetriebene Vorhersagemodelle zu trainieren oder physikalische, regelbasierte Modelle zu parametrisieren. Die Tatsache, dass nur wenige kritische Schädigungen bezogen auf das gesamte Probenvolumen auftreten und die hochzyklische Ermüdung eine Vielzahl unterschiedlicher Abhängigkeiten aufweist, impliziert einige Anforderungen an die Datenerfassung und -verarbeitung. Am wichtigsten ist, dass die Messtechniken so empfindlich sind, dass nuancierte Schwankungen im Probenzustand erfasst werden können, dass die gesamte Routine effizient ist und dass die korrelative Mikroskopie räumliche Informationen aus verschiedenen Messungen miteinander verbindet.
Das Hauptziel dieser Arbeit besteht darin, einen Workflow zu etablieren, der den Datenmangel behebt, so dass die zukünftige virtuelle Auslegung von Komponenten effizienter, zuverlässiger und nachhaltiger gestaltet werden kann. Zu diesem Zweck wird in dieser Arbeit ein kombinierter experimenteller und datenverarbeitender Workflow vorgeschlagen, um multimodale Datensätze zu Ermüdungsschädigungen zu erzeugen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf dem Auftreten von lokalen Gleitbändern, der Rissinitiierung und dem Wachstum mikrostrukturell kurzer Risse. Der Workflow vereint die Ermüdungsprüfung von mesoskaligen Proben, um die Empfindlichkeit der Schädigungsdetektion zu erhöhen, die ergänzende Charakterisierung, die multimodale Registrierung und Datenfusion der heterogenen Daten, sowie die bildverarbeitungsbasierte Schädigungslokalisierung und -bewertung. Mesoskalige Biegeresonanzprüfung ermöglicht das Erreichen des hochzyklischen Ermüdungszustands in vergleichsweise kurzen Zeitspannen bei gleichzeitig verbessertem Auflösungsvermögen der Schädigungsentwicklung. Je nach Komplexität der einzelnen Bildverarbeitungsaufgaben und Datenverfügbarkeit werden entweder regelbasierte Bildverarbeitungsverfahren oder Repräsentationslernen gezielt eingesetzt. So sorgt beispielsweise die semantische Segmentierung von Schädigungsstellen dafür, dass wichtige Ermüdungsmerkmale aus mikroskopischen Abbildungen extrahiert werden können. Entlang des Workflows wird auf einen hohen Automatisierungsgrad Wert gelegt. Wann immer möglich, wurde die Generalisierbarkeit einzelner Workflow-Elemente untersucht. Dieser Workflow wird auf einen ferritischen Stahl (EN 1.4003) angewendet. Der resultierende Datensatz verknüpft unter anderem große verzerrungskorrigierte Mikrostrukturdaten mit der Schädigungslokalisierung und deren zyklischer Entwicklung. Im Zuge der Arbeit wird der Datensatz wird im Hinblick auf seinen Informationsgehalt untersucht, indem detaillierte, analytische Studien zur einzelnen Schädigungsbildung durchgeführt werden. Auf diese Weise konnten unter anderem neuartige, quantitative Erkenntnisse über mikrostrukturinduzierte plastische Verformungs- und Rissstopmechanismen gewonnen werden. Darüber hinaus werden aus dem Datensatz abgeleitete kornweise Merkmalsvektoren und binäre Schädigungskategorien verwendet, um einen Random-Forest-Klassifikator zu trainieren und dessen Vorhersagegüte zu bewerten. Der vorgeschlagene Workflow hat das Potenzial, die Grundlage für künftiges Data Mining und datengetriebene Modellierung mikrostrukturempfindlicher Ermüdung zu legen. Er erlaubt die effiziente Erhebung statistisch repräsentativer Datensätze mit gleichzeitig hohem Informationsgehalt und kann auf eine Vielzahl von Werkstoffen ausgeweitet werden.
Abstract (englisch):
Materials fatigue poses the most frequent cause of mechanical failure. The degradation mechanisms that dictate component life at comparatively large cyclic loads are well known. In contrast, when loads in the macroscopically elastic range are concerned, the so-called (very) high-cycle fatigue regime, the inner structure of a material, and crystallographic defect interactions therein govern the service life. Under these circumstances, the internal degradation phenomena at the microscopic scale are largely reversible or do not culminate in the formation of critical damage instances which can undergo continued growth. ... mehrHowever, some grain ensembles in polycrystalline metals depending on their local microstructural character are vulnerable to initial damage formation, crack initiation and growth and therefore act as weak points. Therefore, components exposed to such loads, often exhibit pronounced service life scatter. The fact that a comprehensive mechanistic understanding of these early degradation processes in various materials is yet to be unveiled, entails that current modeling efforts typically predict the mean life and its variance with unsatisfactory accuracy. This in turn hampers the component design and necessitates the application of safety factors during the dimensioning process.
Remedy can be provided by addressing the lack of data capturing initial fatigue damage evolution and its influence factors. The data shortage continues to adversely affect data scientists and computational modeling experts attempting to derive microstructural dependencies, train predictive data-driven models, or parameterize physical rule-based models from small sample size data with incomplete feature representations. The fact that only a few critical damage instances occur referred to the whole specimen volume and high-cycle fatigue is characterized by a variety of distinct dependencies, placing some demands on the data acquisition and processing routine. Most importantly, the measurement techniques should provide the sensitivity to capture nuanced fluctuations in the specimen state, the whole routine should be efficient, and correlative microscopy should link spatial information from different measurements.
The primary objective of this work is to establish a workflow to address the data shortage such that future virtual component design can be rendered more efficient, reliable, and sustainable. To this end, this work proposes a combined experimental and data post-processing workflow to generate multimodal fatigue damage data sets. Particularly, the focus is placed on the emergence of slip markings, crack initiation, and microstructurally short crack growth. The workflow unifies fatigue testing of mesoscale specimens to increase damage detection sensitivity, complementary characterization, multimodal registration and data fusion to address and exploit data heterogeneity, and image processing-based damage localization and evaluation. Mesoscale bending resonant cyclic testing enables reaching the high-cycle fatigue regime in comparatively short time spans while maintaining unprecedented time resolution of damage evolution. Depending on the complexity of the individual computer vision tasks and data availability, either rule-based image processing or representation learning methods are purposefully incorporated. For example, semantic segmentation of damage instances ensures retrieval of important fatigue features from micrographs. Emphasis is placed on a high degree of automation. Whenever possible, the generalizability of individual workflow elements is explored. This workflow is applied to a ferritic steel (EN 1.4003) case study. The resulting data set links amongst others large distortion-corrected microstructure data with damage localization and its cyclic evolution. The data set is explored with respect to its information content by performing detailed, analytical studies on individual damage instances. This provided quantitative insights with respect to microstructural plastic deformation and crack arrest mechanisms. Furthermore, grain-wise feature vectors and binary damage categories derived from the data set are utilized to train and evaluate a random forest classifier. The proposed workflow holds the potential to lay the foundation for future data mining and data-driven modeling of microstructure-sensitive fatigue by efficiently providing statistically representative data sets with a high information content extendable to a wide range of materials.