Abstract:
Das globale Ziel dieser Arbeit war es, ein präzises digitales Modell einer Cu(In,Ga)Se$_2$ (CIGS)-Solarzelle aufzubauen. Dazu wurde eine Simulationssoftware entwickelt, die es ermöglicht, grundlegende Charakteristiken des Heteroübergangs abzubilden. Aufbauend auf den fundamentalen Drift-Diffusions Gleichungen wurden die wichtigsten physikalischen Zusammenhänge in die Software implementiert, um eine CIGS-Solarzelle auf der Ebene der Halbleiterphysik zu beschreiben. Dabei sollten die verwendeten Materialparameter möglichst nahe an der Realität liegen. Viele Parameter sind bekannt, eine große Unsicherheit liegt jedoch in der Beschreibung der elektrischen Defekte im CIGS-Halbleiter. ... mehrDiese führen über Shockley-Read-Hall (SRH)-Rekombination zu dem dominanten Leistungsverlust in der Solarzelle. Im CIGS-Material können diese Defekte eine Vielzahl von möglichen Ursprüngen haben und je nach Prozess oder Beschichtungsanlage unterschiedlich auftreten. Eine genaue Beschreibung im numerischen Modell ist jedoch unabdingbar, um die genauen Verlustmechanismen und die Höhe der Verluste zu spezifizieren.
Für eine genaue und umfassende Kenntnisse über die Defekte im CIGS-Material, wurden CIGS Schichten aus verschiedenen Anlagen, hergestellt mit unterschiedlichen Prozessarten, untersucht. Dazu wurden innerhalb dieser Arbeit Deep Level Transient Spectroscopy (DLTS)-Messungen für die Verwendung an CIGS Solarzellen angepasst. DLTS stellt eine sehr sensitive Methode dar, Störstellen in Halbleiter-Materialien äußerst exakt zu vermessen. Für genaue und belastbare Messungen wurde eine spezielle Messprozedur entwickelt sowie geeignete Werte der Messparameter identifiziert. Damit wurden schlussendlich die charakteristischen Eigenschaften Defektdichte, energetische Lage, Wirkungsquerschnitt und Defekttyp in den unterschiedlichen Proben bestimmt. Die Ergebnisse konnten dann als Input-Parameter in der Software übernommen werden und so die Defekte auf numerischer Ebene abgebildet werden.
Ein zentraler Punkt dieser Arbeit war es außerdem, mit Hilfe des numerischen Models den Einfluss von Rubidium, das durch ein Rubidiumfluorid (RbF) postdeposition treatment (PDT) Schritt eingebracht wurde, auf die Defekte und deren Eigenschaften zu untersuchen. Dazu wurden im ersten Schritt grundlegende Messungen an vereinfachten CIGS-Proben ohne Bandlücken-Gradienten durchgeführt, die mit unterschiedlichen Alkalielementen behandelt wurden. Dadurch konnten den einzelnen Alkalielementen charakteristische Signaturen in den DLTS-Messungen zugeordnet werden. Mit dieser Grundlage wurden verschiedene Probenreihen an CIGS-Solarzellen aus einer produktionnahen Inline-Beschichtungsanlage vermessen. Im CIGS-Material konnten zwei signifikante Störstellen (ein Minoritätendefekt und ein Majoritätendefekt) in der Mitte der Bandlücke identifiziertwerden, die aufgrund ihrer energetischen Lage, potentielle Rekombinationszentren darstellen. Es konnte nachgewiesen werden, dass eine PDT-Behandlung des CIGS-Materials die Defektdichte des einen Minoritätsdefekts um den Faktor drei reduziert, der Majoritätsdefekt jedoch nicht beeinflusst wird. Dieses unterschiedliche Verhalten konnte auf den räumlichen Ursprung der Defekte zurückgeführt werden. Während der vom PDT beeinflusste Defekt wahrscheinlich an Korngrenzen vorliegt, wo das Rubidium vorzugsweise segregiert, ist der zweite Defekt homogen in der Schicht verteilt. Die experimentellen Ergebnisse wurden in numerischen Simulationen verifiziert und Strategien für weitere Entwicklungsschritte ausgearbeitet.
Aktuell von großem Interesse ist die Entwicklung von (Ag,Cu)(In,Ga)Se2 (ACIGS)-Solarzellen, bei denen ein Teil des Kupfers durch Silber substituiert wird. In ACIGS-Zellen mit geringem Silberanteil konnten ähnliche Defektewie im CIGS nachgewiesen werden, einen Einfluss auf diese durch ein RbF-PDT konnte jedoch nicht direkt verifiziert werden. Das ist zum Großteil auf ein starkes Signal von einem Dotierlevel zurückzuführen, dessen energetische Lage und Dichte sich systematisch mit dem Rb-Gehalt erhöhen. Während dieses Signal die DLTS-Messungen der ACIGS-Proben dominiert, ist es in silberfreien CIGS-Proben nicht nachzuweisen. Bei der Untersuchung von ACIGS-Solarzellen wurde jedoch auch ein signifikant unterschiedliches Performance-Verhalten im Vergleich zu (silberfreien) CIGS-Solarzellen beobachtet. Der Grund hierfür liegt in einem geänderten Dotierverhalten und einer parasitären Energiebarriere am CIGS/Puffer Übergang. Auch hier konnten die Effekte durch numerische Simulationen belegt und die Ergebnisse auf weitere Wirkungsgrad Verbesserungen hin untersucht werden.
Diese Ergebnisse zeigen, wie mit Hilfe von numerischen Simulationen und geeigneten Input Daten, digitale Experimente durchgeführt, physikalische Grenzen aufgetan und reale Effekte analysiert werden können. Mit robusten Input Daten können insbesondere die auftretenden Verluste in einer CIGS-Solarzelle bestimmt und somit die experimentelle Forschung und Entwicklung von Dünnschicht Solarzellen unterstützt werden.
Abstract (englisch):
The global goal of this work was to build an accurate digital model of a Cu(In,Ga)Se$_2$ (CIGS) solar cell. Therefore, a simulation software was developed which allows to reproduce fundamental characteristics of the heterojunction. Based on the fundamental drift-diffusion equations, the most important physical relations were implemented in the software to describe a CIGS solar cell at the level of semiconductor physics. The material parameters used should be as close as possible to reality. While many parameters are known, a large uncertainty lies in the description of the electrical defects in the CIGS semiconductor. ... mehrThese lead to the most dominant power loss in the solar cell via Shockley-Read-Hall (SRH) recombination. In the CIGS material, these defects can have a variety of possible origins and can occur differently depending on the process or deposition equipment. However, an accurate description in the numerical model is essential to specify the exact loss mechanisms and the magnitude of the single losses. In order to obtain accurate and comprehensive knowledge about the defects in the CIGS material, CIGS layers from different systems, produced with different types of processes, were investigated. For this purpose, Deep Level Transient Spectroscopy (DLTS) measurements were adapted for the application on CIGS solar cells. DLTS is a very sensitive method to measure defects in semiconductor materials with high accuracy. For accurate and reliable measurements, a special measurement procedure was developed and suitable measurement parameters were identified. With this, finally the characteristic properties defect density, energetic position, capture cross section and type (minority or majority) of the defects in the different samples were determined. The results were then used as input parameters in the software and in this way the defects were reproduced numerically.
A central point of this work was to investigate the influence of rubidium introduced by a rubidium fluoride (RbF)-post-deposition treatment (PDT) step on the defects and their properties by using the developed numerical model. For this purpose, DLTS measurements were performed on simplified CIGS samples which were gradient-free and treated with different single alkali elements in the first step. Thereby, characteristic signatures could be assigned to the individual alkali elements in the DLTS measurements. On this basis, different series of samples of CIGS solar cells from a production-like inline coevaporation system were analyzed. In the CIGS material, two significant defects (a minority defect and a majority defect) were identified in the middle of the band gap, which represent potential recombination centers. The minority defect showed a reduction of the defect density by a factor of 3 due to the PDT, while the majority defect was not affected by the PDT. This different behavior could be attributed to the spatial origin of the defects. The defect influenced by the PDT is probably located at grain boundaries, where the Rb mainly segregates. The second defect is homogeneously distributed in the layer. The experimental results were verified by numerical simulations and strategies for further development steps were elaborated.
In (Ag,Cu)(In,Ga)Se2 (ACIGS) solar cells, where a small amount of copper in CIGS is substituted by silver, similar defects were measured as in CIGS cells, although an influence by a RbF PDT could not be verified directly. This is largely due to a strong signal from a doping level which energetic position and density systematically increase with the Rb content. While this signal dominates the DLTS measurements of the ACIGS samples, it is not detectable in silver-free CIGS- samples. However, when investigating ACIGS solar cells, a significantly different behavior in performance and defect characteristics in dependence of the Rb amount was observed compared to CIGS solar cells. The reason for this is a change in doping behavior and a detrimental energy barrier at the CIGS / buffer interface. Again, the observed effects were proven by numerical simulations and the results could be investigated for further efficiency improvements. These results presented in this work demonstrate how numerical simulations and appropriate input data, can be used to perform digital experiments, identify physical limitations, and analyze real-world effects. In particular, by using robust input data, the losses occurring in a CIGS solar cell can be determined, thus supporting experimental research and development.