Abstract:
In den mittleren Breiten kommt es gelegentlich zu einer Strömungskonfiguration, bei welcher eine quasistationäre antizyklonale Zirkulationsanomalie (oftmals als „Block" bezeichnet) eine Umkehrung der großräumigen westlichen Strömung hervorruft. Diese Situation wird im Englischen als „Blocking" bezeichnet und kann in angrenzenden Regionen zu Extremwetter führen. Die korrekte Darstellung von Blocking stellt eine große Herausforderung in aktuellen numerischen Wettervorhersagemodellen dar. Ein Grund dafür liegt im mangelnden dynamischen Verständnis von Blocking. In der Vergangenheit wurden zahlreiche Theorien zur Dynamik von Blocking entwickelt, von denen jede einen bestimmten Aspekt der Dynamik betrachtet. ... mehrBis heute konnten die verschiedenen feuchtdynamischen und trockendynamischen Theorien noch nicht miteinander verbunden werden und lieferten sogar widersprüchliche Ergebnisse. Noch immer fehlt eine konsistente Sicht auf die relative Rolle trockener und feuchter Dynamik in den
Lebenszyklen von Blocking.
Diese Arbeit zielt darauf ab, die Dynamik von Blocking zu erfassen und insbesondere die relativen Beiträge trockener und feuchter Prozesse zu entflechten. Dazu wird eine neuartige quasi-Lagrangsche Methode auf Basis der potenziellen Vortizität (PV) entwickelt. Da Vorhersagefehler in Verbindung mit Blocking vor allem in Europa vorkommen, liegt der Fokus auf Blocking über dem Nordatlantik und über Europa. Anhand der hochmodernen ERA5-Reanalyse für den Zeitraum 1979–2021 werden negative PV Anomalien in der oberen Troposphäre (PVAs−) verfolgt, die mit Blocking in Verbindung stehen. Mithilfe stückweiser PV-Tendenzen werden die relativen Beiträge trockener und feuchter Dynamik zur Amplitudenentwicklung von PVAs− quantifiziert. Blocking wird in dieser Arbeit aus Sicht von Wetterregimen betrachtet, die großräumige, anhaltende und wiederkehrende Zustände der außertropischen Zirkulation darstellen. Eine einzigartige Definition von Wetterregimen ermöglicht die Untersuchung der Lebenszyklen von vier verschiedenen „blockierten“ Regimen: Blocking über Europa (EuBL), über Skandinavien
(ScBL), über dem Atlantik (AR) und über Grönland (GL).
Ein schwerwiegender Vorhersagefehler, der mit dem Lebenszyklus von Blocking im März 2016 über Europa zusammenhängt, war mit einer Unterschätzung feuchter Prozesse über dem östlichen Nordatlantik verbunden. Die neue quasi-Lagrangsche Methode zeigt, dass die mit dem Block verknüpfte PVA− sich nicht lokal über Europa entwickelte, sondern weit entfernt von der Region vor der Ostküste der Vereinigten Staaten zum ersten Mal identifiziert wurde und nach Europa propagierte. Während der Überquerung des Nordatlantiks durchlief die PVA− mehrere Episoden abrupter Verstärkung, hauptsächlich durch feuchte Prozesse im Zusammenhang mit der Aktivität von sogenannten ’Warm Conveyor Belts’ (WCB). Diese Erkenntnis bestätigt eine frühere Hypothese von Grams et al. (2018), dass die WCB-Aktivität stromaufwärts des beginnenden Blocks entscheidend für den Aufbau von Blocking im März 2016 war. Eulersche Diagnosen würden die trocken-dynamische Propagation der PVA− betonen und somit den erheblichen feuchten Beitrag in der Ferne der blockierten Region übersehen. Durch die Fokussierung auf die physikalischen Prozesse, die für den Beginn von Blocking relevant sind, ermöglicht die neuartige quasi-Lagrangsche Methode eine Entflechtung der trockenen und feuchten Beiträge.
Die systematische Auswertung der Dynamik von Blocking zeigt in dieser Arbeit zum ersten Mal, dass sich PVAs− entfernt von der Region entwickeln und in die blockierte Region hineinwandern. Es wurden zwei Pfade identifiziert, über die PVAs− aus dem Westen (stromaufwärtiger Pfad) und aus dem Osten (retrograder Pfad) in die blockierte Region propagieren. Die PVAs− werden in den Tagen vor dem Blocking überwiegend durch Feuchtprozesse verstärkt. Allerdings unterscheidet sich der Zeitpunkt, sodass retrograd-wandernde PVAs− die maximale Verstärkung früher erfahren als stromaufwärts propagierende PVAs−. Infolgedessen erfolgt die westwärts gerichtete Propagation von PVAs− nicht rein barotrop, sondern ist das Resultat des Zusammenspiels mit feuchten Prozessen, welche die PVA− an der westlichen Flanke verstärken und sie somit nach Westen verschieben. Die Pfade der PVAs− und die jeweilige zugrundeliegende Dynamik waren zuvor nicht bekannt und liefern einen neuen Blickwinkel auf Blocking. Rund um die maximale Ausprägung des Regimes enthüllt die quasi-Lagrangsche Methode einen Zusammenhang zwischen dem Lebenszyklus des Regimes und dem Lebenszyklus der PVA−. Feuchtprozesse dominieren die Verstärkung und Aufrechterhaltung der PVA− vor dem Regime-Maximum, während quasi-barotrope Dynamik maßgeblich zum Abbau nach dem Regime-Maximum beiträgt. Der Zerfall des Regime-Lebenszyklus geht mit einer starken Abschwächung der PVA−-Amplitude einher und vor allem mit der Propagation von PVAs− aus der Region heraus. Erneut enthüllt die Methode zwei Pfade von PVAs− nach Westen und Osten, was zeigt, dass einige PVAs− zu nachfolgenden blockierten Regimen beitragen. Generell sind die Unterschiede in der Dynamik zwischen den blockierten Regimen geringer im Vergleich zu den Unterschieden zwischen den PVA− Pfaden. Dabei sticht Blocking über Grönland im Vergleich zu den anderen Regimen beim Aufbau von Blocking heraus. Erstens dominiert der retrograde
Pfad von PVAs− für GL, was nicht der Fall ist für EuBL, ScBL und AR. Und zweitens spielen feuchte Prozesse für PVAs− bei GL unabhängig vom Pfad eine ähnliche Rolle, während sie für stromaufwärts propagierende PVAs− von EuBL, ScBL und AR einen deutlich höheren Beitrag leisten. Diese Variation resultiert aus der Position des Blocks relativ zur typischen Zugbahn von Tiefdruckgebieten und zeigt die Empfindlichkeit der Dynamik von Blocking gegenüber dem genauen Ort von Blocking.
Insgesamt versöhnt diese Arbeit zum ersten Mal unterschiedliche Perspektiven und Theorien zu Blocking in der Region über dem Nordatlantik und Europa und liefert eine neuartige quasi-Lagrangsche PV-Methode mit Potenzial für zukünftige Arbeiten zur Dynamik von Blocking.
Abstract (englisch):
Atmospheric blocking describes a midlatitude flow configuration, in which a quasi-stationary anticyclonic circulation anomaly – referred to as block – hinders the eastward propagation of synoptic-scale weather systems. This pattern often causes extreme weather in the vicinity of the block. The correct representation of blocking, and in particular the onset, is a major challenge in current numerical weather prediction models. One reason for this difficulty arises from the lack of the dynamical understanding of blocking. A multitude of theories on the complex blocking dynamics have been developed, each focusing on a specific aspect of blocking. ... mehrUntil today, the different theories could not be connected yet, and even revealed contradictionary results in the contribution of dry and moist processes, such that a consistent view on the relative role of dry and moist dynamics in blocking life cycles is still missing.
This thesis aims to shed light onto blocking dynamics, and, in particular, to disentangle the relative contributions of dry and moist processes. To this end, a novel quasi-Lagrangian potential vorticity (PV) framework is developed. Since the worst forecast busts linked to blocking occur over Europe, the focus is set on blocking in the North Atlantic-European region. Applied to state-of-the-art ERA5 reanalysis for the period 1979–2021, upper-tropospheric negative PV anomalies (PVAs−) linked to blocking are tracked. Using piecewise PV tendencies, the contributions of dry and moist dynamics in the amplitude evolution of PVAs− are investigated. Blocking is examined using the concept of weather regimes, which are large-scale, persistent, and recurrent states of the extratropical circulation. With a unique year-round weather regime definition, the life cycles of four ’blocked’ regime patterns are studied: European Blocking (EuBL), Scandinavian Blocking (ScBL), Atlantic Ridge (AR), and Greenland Blocking (GL).
A strong forecast bust linked to a EuBL regime life cycle in March 2016 was associated with an underestimation of moist processes over the eastern North Atlantic. The novel framework reveals that the PVA− linked to the block developed remotely near the East Coast of the United States and propagated into Europe. During the propagation, the PVA− experienced several episodes of amplification, mainly by moist processes associated with warm conveyor belt (WCB) activity. This finding confirms a previous hypothesis by Grams et al. (2018) that WCB activity upstream of the incipient block was key to the blocking onset in March 2016. Eulerian diagnostics would emphasize the dry-dynamical propagation of PVAs−, and thereby miss the substantial moist contribution remote of the blocked region. Thus, by focusing on the physical processes relevant to blocking onset, the framework allows to disentangle dry and moist contributions, and their interconnection.
The systematic analysis of blocking dynamics for the four blocked regime types shows in this thesis, for the first time, that PVAs−, triggering the onset of blocked regimes, develop remotely and propagate into the blocked region before the onset. Importantly, two pathways are identified that describe the propagation of PVAs− from the west (upstream pathway) and from the east (retrogression pathway) into the blocked region. PVAs− are amplified during the days before the onset when moist processes are the dominant contributions. However, the timing differs, such that retrograding PVAs− experience maximum amplification earlier than upstream PVAs−. Consequently, the retrogression of PVAs− occurs not purely barotropically, but is an interplay with moist processes that amplify the PVA− on the western flank and thus shifts it westward. These pathways of PVAs− and the respective different dynamics were not known before and provide a novel perspective on blocking. The framework reveals a linkage of the regime and PVA− life cycle around the regime maximum stage. Moist processes dominate the maintenance of the PVAs− before, and quasi-barotropic dynamics lead to the degradation of the PVAs− after the maximum stage. The regime decay is associated with a strong decrease in PVA− amplitude, and, most importantly, with the propagation of PVAs− out of the regime region. Again, the framework unveils two pathways of PVAs− towards the west and east, which reveals that some PVAs− contribute to successor blocked regimes. The differences in dynamics between the blocked regime types are small, with clearer differences residing in the dynamics of the pathways. For the onset, two marginal differences are evident that make GL stand out. First, the retrogression pathway of PVAs− dominates for GL, but not for EuBL, ScBL, and AR. And second, moist processes play a similar role for PVAs− independent of the pathway for GL but exhibit a much higher contribution for upstream than retrograding PVAs− of EuBL, ScBL, and AR. This variation arises from the position of the block relative to the storm track and indicates the sensitivity of blocking dynamics to the exact blocking location.
Overall, this thesis, for the first time, reconciles different perspectives and theories on blocking in the North Atlantic-European region and provides a novel quasi-Lagrangian PV framework with potential for future work on blocking dynamics.