Abstract:
Fusionskraftwerke der Zukunft stellen enorme Materialanforderungen, beispielsweise in Bezug auf Hitzeresistenz an Plasmakontaktzonen der inneren Reaktorwand und des Divertors. Als abschirmendes Material stellt Wolfram nach aktueller Konzeption die mit Abstand beste Alternative dar. Nachteilig ist dabei jedoch dessen hohe Spröd-duktil-Übergangstemperatur (BDTT), welche aufgrund thermischer und mechanischer Belastungszyklen zu katastrophalem Risswachstum führen kann. Zwar kann die BDTT durch starkes Kaltwalzen drastisch abgesenkt werden, das dabei entstehende, feinkörnige Gefüge ist jedoch thermisch instabil, wodurch es bei relativ niedrigen Temperaturen wiederum zu einer Erhöhung der BDTT kommt.
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Neben einer Untersuchung der zu einer solchen Versprödung führenden mikrostrukturellen Restaurationsprozesse, wurde daher in der vorliegenden Arbeit das Potential zur Stabilisierung der Mikrostruktur durch eine Dotierung mit Kalium (K) umfassend analysiert, durch welche die Migration von Korngrenzen und Versetzungen mittels fein verteilter K-Blasen unterdrückt wird. Zwar wird K-Dotierung bereits seit mehr als 100 Jahren bei der industriellen Herstellung von Glühlampendrähten angewendet, die Kombination des Verfahrens mit hochgradiger Walzumformung von Wolfram stellt jedoch einen neuartigen Ansatz dar.
Grundlage der Studie war zunächst die erfolgreiche Herstellung zweier äquivalent gewalzter Blechserien von technisch reinem Wolfram (Referenz) und K-dotiertem Wolfram mit bis zu sehr hohen logarithmischen Umformgraden von 4,7 bzw. 4,6 durch Warm- und Kaltwalzen. Anhand beider Materialserien wurde eine detaillierte Analyse der verformungsbedingten Evolution von Mikrostruktur (durch REM und EBSD), mechanischer Eigenschaften (durch Härteprüfung, Zugversuche und Untersuchungen der Risszähigkeit) und Verteilung von K-Blasen (durch REM) nach den Walzschritten erstellt. Als weiteres Kernstück der Arbeit wurde die Mikrostruktur nach isochronen, isothermen und aufheizratenkontrollierten Wärmebehandlungsreihen zwischen 600 °C und 2400 °C mittels Härteprüfung und REM-Analysen hinsichtlich aufgetretener Restaurationsprozesse in unterschiedlichen Temperaturregimen systematisch untersucht.
Es ist herauszustellen, dass nach höchstem Umformgrad sowohl bei reinem als auch K-dotiertem Wolfram eine nochmals niedrigere BDTT unterhalb von −80 °C im Vergleich zu bisherigen Studien an reinen Wolframblechen vorgefunden wurde. Die Analyse ergab weiterhin, dass die verformungsbedingte Evolution der Mikrostruktur zwischen beiden Blechserien annähernd gleich verlief. Allerdings traten in den K dotierten Blechen mit geringerem Umformgrad mikrometerdicke Lagen auf, die jeweils einzelnen Texturkomponenten zuzuordnen sind und nahezu ausschließlich Kleinwinkelgrenzen enthalten. Da sich dieses Phänomen mit einer hohen BDTT der besagten Bleche in Verbindung bringen ließ, könnte dessen Vermeidung ein wichtiges Qualitätskriterium bei zukünftigen Materialproduktionen darstellen. Weitere mechanische Eigenschaften, wie Mikrohärte, Zugfestigkeit und Dehngrenze, ließen sich in Anlehnung an die Hall-Petch-Beziehung mit der Korngröße korrelieren, wobei in den kaltgewalzten Blechen ein signifikanter Einfluss durch Kleinwinkel-grenzen festgestellt wurde, welche oftmals in einer Hall-Petch-Beziehung nicht berücksichtigt werden.
Die Mechanismen, welche die Dispersion der K-Blasen und damit die Zener-Kräfte gegenüber Erholung, Rekristallisation und Kornwachstum beeinflussen, wurden tiefgreifend analysiert. Maßgeblich ist dabei der Umformgrad der Bleche, der zu einer Streckung der Blasen führt, sowie die Parameter einer darauffolgenden Wärmebehandlung, die den Aufbruch der gestreckten Blasen ähnlich einer Plateau-Rayleigh-Instabilität bewirkt. Die theoretischen Grundlagen dieser Aufbruchskinetik wurden mit den experimentellen Ergebnissen in Einklang gebracht und das Modell für den Grenzfall von Blasen mit geringem Streckungsverhältnis weiterentwickelt. Eine nanoskalige Analyse der chemischen Zusammensetzung zeigte erstmals in-situ eine heterogene Elementverteilung innerhalb des Volumens von K-Blasen aus einer aluminiumreichen und einer volatilen, kaliumreichen Phase sowie erhöhte Gehalte von Silizium und Sauerstoff. Es konnte zudem eine Instabilität dieser chemischen Zusammensetzung nach einer Wärmebehandlung im Bereich von ca. 2400 °C nachgewiesen werden, welche bei Hochtemperaturanwendungen von Relevanz sein kann.
Die Analyse wärmebehandelter Proben ergab, dass Bleche mit geringem Umformgrad in einem niedrigen Temperaturregime nur schwache mikrostrukturelle Änderungen durch Erholung zeigten. Bleche mit hohem Umformgrad offenbarten jedoch drastische Änderungen durch sogenannte erweiterte Erholung (auch als kontinuierliche Rekristallisation bezeichnet), welche einen maßgeblichen Grund für die Versprödung dieser Bleche darstellt. Durch K-Dotierung konnte eine nur geringfügig retardierende Wirkung gegenüber erweiterter Erholung nachgewiesen werden. Erst in einem mittleren Temperaturregime bewiesen K-dotierte Bleche eine deutlich retardierende Wirkung gegenüber der dabei stattfindenden Rekristallisation in Blechen mit geringem Umformgrad bzw. in Blechen mit hohem Umformgrad gegenüber der fortschreitenden erweiterten Erholung mit direktem Übergang zu Kornwachstum. Zudem ergaben sich durch die Dotierung deutliche Unterschiede in der Texturentwicklung, welche den weiteren Verlauf der Restauration durch Kornwachstum beeinflusst. In einem hohen Temperaturregime bewirkte die Dotierung eine nahezu vollständige Stabilisierung gegenüber normalem und abnormalem Kornwachstum bei geringem Umformgrad, bei hohem Umformgrad jedoch besonders starkes abnormales Kornwachstum. Auch etwaige Einflüsse durch unterschiedliche Aufheizraten von 1 K/s und 200 K/s unter Berücksichtigung einer thermischen Aktivierungsäquivalenz wurden an den dicksten Blechen untersucht, jedoch kein aufheizratenbedingter Effekt festgestellt. Dieses Ergebnis steht im Widerspruch zu bisherigen Studien, in denen eine thermische Aktivierungsäquivalenz nicht berücksichtigt wurde.
Die komplexen Zusammenhänge von thermomechanischer Behandlung reiner und K-dotierter Wolframmaterialien und der daraus resultierenden mikrostrukturellen Evolution wurden abschließend einander gegenübergestellt. Aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse scheint K-dotiertes Material mit geringem Umformgrad die meisten Vorteile für die Anwendung in Fusionsreaktorkomponenten aufzuweisen, insbesondere durch die enormen Auswirkungen der K-Dotierung auf Kornwachstum sowie der deutlichen Retardierung von Rekristallisation, aber auch durch einen geringeren Herstellungsaufwand im Vergleich zu hochgradig umgeformtem Wolfram.
Abstract (englisch):
Fusion power plants of the future pose enormous material requirements, for example regarding heat resistance at plasma contact zones of the inner reactor wall and the divertor. According to the current concept, tungsten represents by far the best alternative as a shielding material. A disadvantage, however, is its high brittle-to-ductile transition temperature (BDTT), which can result in unstable crack growth due to thermal and mechanical load cycling. Although the BDTT can be drastically lowered by severe cold-rolling, the resulting fine-grained microstructure is thermally unstable, which in turn leads to an increase of the BDTT at relatively low temperatures.
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In addition to investigating the microstructural restoration processes leading to this embrittlement, the present work therefore comprehensively analysed the potential for stabilising the microstructure by doping with potassium (K), which suppresses the migration of grain boundaries and dislocations due to finely distributed K-bubbles. Although K-doping has already been used for more than 100 years in the industrial production of incandescent lamp wires, the combination of this method with high degree of deformation of tungsten by rolling represents a novel approach.
The study was firstly based on the successful production of two equivalently rolled sheet series of technically pure tungsten (reference) and K-doped tungsten with up to very high logarithmic degrees of deformation of 4.7 and 4.6, respectively, by warm- and cold-rolling. Both material series were analysed in detail for the deformation-induced evolution of microstructure (by SEM and EBSD), mechanical properties (by hardness testing, tensile testing, and fracture toughness investigations), and distribution of K-bubbles (by SEM) after the rolling steps. As another core part of the work, the microstructure was systematically investigated after isochronal, isothermal, and heating-rate-controlled annealing series between 600 °C and 2400 °C by means of hardness testing and SEM analyses with regard to restoration processes occurring in different temperature regimes.
It can be highlighted that after the highest degree of deformation, both pure and K-doped tungsten were found to have an even lower BDTT below −80 °C compared to previous studies on pure tungsten sheets. The analysis further revealed that the deformation-induced evolution of the microstructure was approximately the same between the two series of sheets. However, micrometre-thick layers occurred in the K-doped sheets with lower degree of deformation, each of which could be attributed to single texture components and almost exclusively contained low-angle boundaries. Since this phenomenon was shown to be associated with high BDTT in said sheets, its avoidance could pose an important quality criterion in future material productions. Further mechanical properties such as microhardness, tensile strength and yield strength could be correlated with grain size on the principles of a Hall-Petch relationship. In the cold-rolled sheets, a significant influence of low-angle boundaries was found, which are traditionally not considered in the Hall-Petch relationship.
The mechanisms influencing the dispersion of the K-bubbles and thus the Zener-pinning forces against recovery, recrystallization and grain growth have been analysed in depth. The decisive factors are the degree of deformation of the sheets, leading to elongation of the bubbles, and the parameters of a subsequent heat treatment, which causes the breakup of the elongated bubbles similar to a Plateau-Rayleigh instability. The theoretical foundations of these breakup kinetics were brought into agreement with the experimental results, and the model was further developed for the limiting case of bubbles with low aspect ratio. A nanoscale analysis of the chemical composition revealed for the first time in-situ a heterogeneous distribution of elements within the volume of K-bubbles consisting of an aluminium-rich and a volatile potassium-rich phase as well as increased contents of silicon and oxygen. Furthermore, an instability of this chemical composition after heat treatment in the range of approx. 2400 °C could be demonstrated, which may be relevant for high-temperature applications.
The analysis of annealed samples showed that sheets with low degree of deformation in a low temperature regime showed only minor microstructural changes due to recovery. However, sheets with high degree of deformation exhibited drastic changes due to so-called extended recovery (also referred to as continuous recrystallization), which is a fundamental reason for the embrittlement of these sheets. K-doping demonstrated only a slight retarding effect against extended recovery. However, in a medium temperature regime, K-doped sheets showed a significant retarding effect against the recrystallization occurring in sheets with low degree of deformation and in sheets with high degree of deformation against the progression of extended recovery with direct transition to grain growth. In addition, doping resulted in significant differences in texture development, which influences the further progression of the restoration through grain growth. In a high temperature regime, the doping caused a nearly complete stabilization against normal and abnormal grain growth at low degree of deformation, but at high degree of deformation particularly strong abnormal grain growth occurred. Possible influences due to different heating rates of 1 K/s and 200 K/s, with consideration of a thermal activation equivalence, were also investigated on the thickest sheets, but no effect due to heating rate was found. This result contradicts previous studies in which thermal activation equivalence was not taken into account.
As a conclusion, the complex relationships between thermomechanical treatment of pure and K-doped tungsten materials and the resulting microstructural evolution were juxtaposed. Based on the findings, K doped material with low degree of deformation seems to have the most advantages for the application in fusion reactor components, especially due to the enormous effects of K-doping on grain growth as well as the significant retardation of recrystallization, but also due to a lower manufacturing effort compared to highly deformed tungsten.