Abstract:
Wasserstoffperoxid ist ein äußerst flexibel einsetzbares, sauberes Oxidationsmittel mit Anwendungsmöglichkeiten in der Nahrungsmittel-, Pharma- und Kosmetikindustrie sowie in der Mikrosystemtechnik und Wasseraufbereitung. Es zeichnet sich hierbei durch seine hohe Selektivität aus und erzeugt bei seiner Zersetzung selbst keine schädlichen Nebenprodukte. Mit dezentralen Reaktorsystemen zur Direktsynthese aus Wasserstoff und Sauerstoff lässt sich die Chemikalie bedarfsgerecht vor Ort herstellen. Damit wird ein wichtiger Beitrag zur angestrebten Transformation der chemischen Industrie hin zu nachhaltigeren Prozessen, und somit den "Sustainable Development Goals" der Vereinten Nationen folgend, geleistet. ... mehrGleichzeitig kann dieses dezentrale Verfahrenskonzept dazu beitragen, die Sicherheit in der gesamten Verwertungskette der Chemikalie zu erhöhen. Der Transport des hochkonzentrierten Produkts zum industriellen Verbraucher wird im Vergleich zum Vorgehen bei der konventionellen Herstellung von H$_2$O$_2$ durch den Autooxidationsprozess vermieden.
In der vorliegenden Arbeit wurden Untersuchungen mit dem Ziel der Entwicklung eines dezentral anwendbaren Prozess für die Direktsynthese von H$_2$O$_2$ in Wasser bei atmosphärischem Druck zur Herstellung von für die industrielle Weiternutzung geeigneten Produktkonzentrationen unter möglichst sicheren Bedingungen durchgeführt.
Es wurden Untersuchungen zu einzelnen Teilaspekten des Prozesses zur Direktsynthese von H$_2$O$_2$ in Wasser bei Atmosphärendruck vorgestellt. Das geplante Verfahren wurde kurz theoretisch beschrieben. Stofftransportprozesse an Membranen wurden mit experimentellen Untersuchungsmethoden näher betrachtet. Mit Hilfe eines Aufbaus zur Nutzung der Methode des variablen Drucks - konstanten Volumens wurde zunächst die Permeanz einer PDMS-Komposit-Flachmembran bestimmt, woraus die Permeabilität der aktiven Komponente PDMS abgeleitet wurde. Untersuchungen der Rohrmembran mit PDMS auf einem Al$_2$O$_3$-Träger für den Einsatz im späteren Reaktor ergaben vergleichbare Ergebnisse und lieferten somit einen Anhaltspunkt für die Übertragbarkeit der Schlussfolgerungen. Um die Abhängigkeit der Membranpermeanz vom Betriebsdruck zu untersuchen und damit die Auswirkungen bei unterschiedlichen Druckniveaus vorherzusagen, wurden Experimente mit einem planaren Testreaktor unter Verwendung der Methode des konstanten Drucks - variablen Volumens durchgeführt. Die gemessenen Massenstromzusammensetzungen stimmten mit denen überein, die mit einem eindimensionalen, vereinfachten Modell zur Darstellung des Stofftransportes durch eine dichte Membran unter der Annahme einer konstanten Permeanz ermittelt wurden. Hieraus konnte gefolgert werden, dass in dem betrachteten Bereich keine Abhängigkeit der Membranpermeanz vom Arbeitsdruck zu erwarten ist.
Um eine simulativ in Vorgängerarbeiten beschriebene, mögliche Kreuzkontamination der Reaktanden in der Gaszufuhr und ein daraus resultierendes Sicherheitsrisiko experimentell zu beschreiben, wurden separate Messungen zur Bestimmung der Reaktandenkonzentration in dem von dem Reaktanden durchströmten Kanal durchgeführt. Dazu wurden chronoamperometrische Messungen mit elektrochemisch arbeitenden Sensoren vorgenommen, um die Konzentration der Reaktanden im Reaktionsmedium über den räumlichen Verlauf im Reaktor im sogenannten Sättigungs- und Entsättigungsmodus zu bestimmen. Aus den Daten konnte eine Gegendiffusion von Reaktanden aus dem Reaktionsmedium durch die Membran nachgewiesen werden. Daraus folgte, dass eine kontinuierliche Spülung des gasführenden Kanals für den sicheren Betrieb des Systems unerlässlich ist.
Für die Umsetzung des beschriebenen Prozesses sind elektrochemische Sensoren für die in situ Detektion der Edukte H$_2$ und O$_2$, sowie des Produktes H$_2$O$_2$ vorgesehen. Die Untersuchung der stabilen Nutzung elektrochemischer Sensoren in verfahrenstechnischen Anlagen wurde aus diesem Grund mit Hilfe des Vergleichs wiederholter in situ Kalibrierungen der elektrochemischen Sensoren bezüglich H$_2$O$_2$ durchgeführt. Die erzielten Ergebnisse belegten die Eignung der vorgestellten Sensoren für die in situ Bestimmung von H$_2$, O$_2$ und H$_2$O$_2$ in wässrigen Reaktionsmedien unter atmosphärischen Bedingungen. Gleichzeitig wurde deutlich, dass die Vertrauenswürdigkeit der erzielbaren Sensordaten zum aktuellen Stand maßgeblich durch das Betriebsverhalten der Anlagenkomponenten und der den Prozess durchführenden Person abhängt. Die Komplexität des Prozesses legte hier weiteres Entwicklungspotential offen.
Basierend auf diesen Zwischenergebnissen wurde der Fokus der weiteren Arbeiten auf die Weiterentwicklung des mikrostrukturierten Membranreaktors gelegt.
Ausgehend von reaktions-, prozess- und fertigungsseitigen Randbedingungen wurde ein Anforderungsprofil für die Konzeption und Auslegung des Reaktors ermittelt. Die erarbeiteten Anforderungen führten zu einem einfachen Reaktordesign, das auf einer Membran als Verteilerstruktur basiert und eine getrennte Dosierung der Reaktanden in das flüssige Reaktionsmedium ermöglicht. Hierdurch wurde ein direkter Kontakt des gasförmigen H$_2$ und O$_2$, und somit eine mögliche explosionsfähige Atmosphäre, vermieden. Die Sicherheit des Systems wurde dadurch erhöht. Die geringen geometrischen Abmaße der medienführenden Kanäle ermöglichen kurze Diffusionswege der Edukte und tragen somit zu einem intensivierten Stofftransport bei. Gleichzeitig wurde die Systemsicherheit durch die kleinen Eduktvolumina erhöht, da immer nur eine begrenzte Menge an risikobehafteter Mischung vorliegen kann. Die Reaktoreinheit kann aufgrund ihres Aufbaus modular erweitert werden. Gleichzeitig können Sensoren zur späteren Prozesskontrolle integriert werden. Mit der Motivation, die entwickelten Reaktorkomponenten mittels selektivem Laserschmelzen additiv herzustellen, um die Produktionszeiten und damit die Herstellungskosten niedrig zu halten, wurde das abgeleitete Design an die für dieses Herstellungsverfahren geltenden Designrichtlinien angepasst.
Die Integration des Katalysators in das entwickelte Strömungsreaktorkonzept war eine weitere Herausforderung, die im Rahmen dieser Arbeit gelöst wurde. Zu diesem Zweck wurde die Geometrie eines Strömungsleitelements, das als Träger für den strukturierten Katalysator dient, ausgewählt und in numerischen Strömungssimulationen an die anvisierte Anwendung angepasst. Zur Bestimmung der Strömungs- und Konzentrationsverläufe wurde ein Solver in OpenFOAM implementiert. So konnten zunächst durch den Vergleich des Druckabfalls und der erhaltenen Auslasskonzentration fluidführende Elemente als geeignete Rahmenstrukturen identifiziert werden. Die unterschiedlichen geometrischen Parameter der Strömungsleitelemente wurden im Anschluss in Simulationen variiert. Der Vergleich der mit unterschiedlich konfigurierten Strömungsleitelementen erzielten Produktkonzentrationen und -produktivitäten ließ jedoch keinen eindeutigen Rückschluss auf eine optimale Paramterkombination zu.
Zum Aufbringen des Katalysators wurden ein- und zweistufige Beschichtungsprozesse untersucht. Der vorbereitete Katalysator konnte durch einen einstufigen Tauchbeschichtungsprozess auf den Strukturen abgeschieden werden. TiO$_2$ erwies sich dabei als geeignetes Trägermaterial und geringere Pd-Beladungen führten im Vergleich der verschiedenen Katalysatorvorstufen zu höheren Produktivitäten. Zwischen den experimentell erreichten und den simulativ ermittelten Austrittskonzentrationen wurde eine Abweichung festgestellt, die auf die getroffenen Modellannahmen zurückzuführen ist. Wiederholte Messungen zeigten die Stabilität der Beschichtungen. Auch die Stabilität des Abscheidungsprozesses selbst konnte nachgewiesen werden. Untersuchungen der Aktivität der Beschichtungen hinsichtlich Hydrierungs- und Zersetzungsreaktionen erbrachten keine Hinweise auf mögliche Ursachen für den Unterschied zwischen experimentell und simulativ ermittelten Ergebnissen. Es konnte jedoch gezeigt werden, dass die Zersetzungsreaktion mit Hilfe der verwendeten Additive und Promotoren erfolgreich unterdrückt wird.
Darüber hinaus wurden zweistufige Beschichtungsprozesse untersucht. Basierend auf den Erkenntnissen einer strukturierten Literaturrecherche wurde TiO$_2$ über das Sol-Gel-Verfahren und über Elektrophorese abgeschieden. Bei gleicher konsekutiver Abscheidung der aktiven Pd-Komponente über die chemische Gasphasenabscheidung stellte sich die elektrophoretische Abscheidung von TiO$_2$ hierbei als vielversprechender heraus.
Zusätzlich wurde das Verfahren zur Abscheidung des Pd variiert. Durch die Abscheidung des Pd mittels reaktiver Abscheidung aus superkritischen Fluiden konnte das Gesamtbeschichtungsverfahren weiter verbessert werden.
Im Experiment konnten mit der kombinierten Abscheidung von TiO$_2$ über Elektrophorese und Pd über die reaktive Abscheidung aus superkritischen Fluiden sowie die Pd-Abscheidung mittels adaptierter chemischer Gasphasenabscheidung vergleichbare Produktkonzentrationen erreicht werden.
Schließlich wurde das entwickelte Reaktorkonzept auf einen realen Reaktor übertragen und dieser durch selektives Laserschmelzen hergestellt. Auch im zusammengebauten Zustand zeigte der Reaktor bei Umgebungsdruck keine Flüssigkeitsleckage, sodass das entwickelte Dichtungskonzept als geeignet und sicher für die angestrebte Anwendung angesehen wurde. In einem ersten Versuch wurde ein beschichtetes Strömungsleitelement in den Reaktor eingebaut und unter den gegebenen Reaktionsbedingungen konnte erstmals H$_2$O$_2$ in einem additiv gefertigten Reaktor unter atmosphärischen Bedingungen mit strukturierten Katalysatoren synthetisiert werden. Die gemessene Produktauslasskonzentration lag dabei unter der in Simulationen errechneten Konzentration und die sich ergebende Produktivität lag unter den mit Hilfe vergleichbarer Reaktorkonzepte aus der Literatur erzielten Produktivitäten. Der Vergleich der Betriebsbedingungen und die Diskussion der einzelnen Konzepte zeigte, dass der Betriebsdruck als Hauptursache hierfür zu sehen ist und verdeutlichte die Bedeutung des Stofftransportes auf die Produktivität des Gesamtprozesses.
Aus den gewonnenen Erkenntnissen resultierten weitere Entwicklungspotenziale in den Bereichen Reaktorsimulation, Reaktordesign, Beschichtungen und Gesamtprozess.
Abstract (englisch):
With applications in the pharmaceutical, cosmetics and food industries as well as in microsystems technology and for water treatment, hydrogen peroxide is a very versatile oxidant. On-site production of the chemical on demand can be realized by decentralized reactor systems for direct synthesis from hydrogen and oxygen, making an important contribution to the intended transformation of the chemical industry towards more sustainable processes and thus following the "Sustainable Development Goals" of the United Nations. At the same time, this process concept can contribute to increasing safety throughout the chemical's utilization chain by avoiding the transport of the highly concentrated product to the consumer, compared to the procedure in the conventional production of H$_2$O$_2$ via the auto-oxidation process.
... mehr
In the present work, investigations were carried out with the aim of developing a decentralised process for the direct synthesis of H$_2$O$_2$ in water at atmospheric pressure to produce concentrations of product suitable for further industrial use under safe process conditions.
Studies on individual partial aspects of the process for the direct synthesis of H$_2$O$_2$ in water at atmospheric pressure were presented. The planned process was briefly described theoretically. The mass transport processes on membranes were investigated in more detail with the aid of experimental investigation methods. Using the variable pressure - constant volume method, the permeance of a PDMS composite flat membrane was first determined and the permeability of the active component, the PDMS, was derived from this. Investigations of the tubular membrane with PDMS on an Al$_2$O$_3$ support provided in the later reactor gave comparable results. To investigate the dependence of the membrane permeance on the operating pressure and thus predict effects at varying pressure, experiments were performed with a planar test reactor using the constant pressure-variable volume method. The measured mass flow compositions were consistent with those obtained using a one-dimensional simplified model to represent mass transport through a dense membrane assuming constant permeance. From this, it could be concluded that no dependence of the membrane permeance on the operating pressure is to be expected in the investigated range.
In order to assess the possible cross-contamination of the reactants in the gas feed and a resulting safety risk described by earlier simulations in an experiment now, separate measurements were carried out to determine the reactant concentration in the channel carrying the reaction medium. For this purpose, chronoamperometric measurements with electrochemically operating sensors were performed to determine the concentration of the reactants in the reaction medium over the spatial course in the reactor in the so-called saturation and desaturation mode. From the data, a counter-diffusion of reactants out of the reaction medium through the membrane was found. This led to the conclusion that continuous purging of the gas-carrying channel is essential to ensure safe operation of the proposed system.
For the implementation of the described process, electrochemical sensors are envisaged for the in situ detection of the reactants H$_2$ and O$_2$, as well as of the product H$_2$O$_2$. The investigation of the stable use of electrochemical sensors in process plants was therefore carried out by comparing repeated in situ calibrations of the electrochemical sensors with respect to H$_2$O$_2$. The results obtained proved the suitability of the presented sensors for the in situ determination of H$_2$, O$_2$ and H$_2$O$_2$ in aqueous reaction media under atmospheric conditions. At the same time, it became evident that the reliability of the achievable sensor data at the current state depends noticeably on the operating behaviour of the system components and the person running the process. The complexity of the process revealed further development potential in this area.
Given these results, the further work was focused on the advanced development of the microstructured membrane reactor.
Based on reaction-, process- and manufacturing-side boundary conditions, a requirements profile for the concept and design of the reactor was identified. The elaborated characteristics resulted in a base design of the reactor oriented to classical membrane distributors, which allows separate dosing of the reactants into the liquid reaction medium, thus avoiding direct contact of the gaseous H$_2$ and O$_2$. Due to its structure, the design enables the modular expansion of the reactor unit. At the same time, sensors intended for later process control can be integrated. With the motivation to be able to manufacture the developed reactor components additively using selective laser melting in order to keep manufacturing times and thus costs low, the derived design was adapted to the design guidelines applicable to this manufacturing method.
The way of integrating the catalyst into the developed flow reactor concept was another challenge that was solved within the scope of this work. For this purpose, the geometry of a fluid guiding element serving as a support for the structured catalyst was selected and adapted in computational fluid dynamics simulations. A separate solver was therefore implemented in OpenFOAM to determine the flow and concentration fields. Thus, first by comparing the pressure drop and the obtained outlet concentration, fluid guiding elements could be identified as suitable framework structures. However, the comparison of the product concentrations and productivities achieved with differently configured elements did not allow to draw a clear conclusion about an optimal geometry configuration.
One- and two-step coating processes were investigated to apply the catalyst. Prepared catalyst could be deposited on the structures via a wash coating process. TiO$_2$ turned out to be a suitable support material and lower Pd loadings led to higher productivities compared to different catalyst precursors. Compared to the simulations performed in the tube, a deviation between the experimentally achieved and the calculated outlet concentrations was observed, which was due to the model assumptions made. Repeat measurements showed the stability of the coatings. The stability of the deposition process itself could also be demonstrated by repeating the depositions. Investigations of the activity of the coatings with respect to hydrogenation and decomposition reactions did not provide any new evidence for possible causes of the difference between experimentally and simulatively obtained results. However, it was shown that the decomposition reaction is successfully suppressed with the help of the additives and promoters used.
Moreover, two-stage coating processes were investigated. Based on the findings of a structured literature review, TiO$_2$ was deposited via the sol-gel method and via electrophoresis. With the same consecutive deposition of the active Pd component via chemical vapour deposition, the electrophoretic deposition of TiO$_2$ proved to be more promising. In subsequent optimizations, by varying the process for Pd deposition to SFRD, the coating could be further optimized and higher concentrations could be achieved in the experiment.
Finally, the developed concept was transferred to a physical reactor and manufactured using selective laser melting. He-leakage tests demonstrated the tightness of the individual reactor components. Even when assembled, the reactor showed no liquid leakage at ambient pressure, so the developed sealing concept was deemed suitable and safe for the targeted application. In a first experiment, a coated fluid guiding element was installed in the reactor and, via the adjustment of synthesis ratios, H$_2$O$_2$ could be synthesized for the first time in an additively manufactured reactor under ambient conditions using structured catalysts. The measured product outlet concentration was below the concentration calculated in simulations. The resulting productivity was below the productivities achieved using comparable reactor concepts from literature. The comparison of the operating conditions and the discussion of the individual concepts showed that the operating pressure is to be seen as the main cause for the deviation. The results, furthermore, clarified the importance of the mass transfer in the liquid phase on the productivity of the overall process.
The knowledge gained resulted in further development potential in the areas of reactor simulation, reactor design, coatings and the overall process.