Abstract:
Etwa die Hälfte des deutschen Endenergieverbrauchs wird durch Heiz- und Kühlprozesse verursacht. Die Dekarbonisierung des Heiz- und Kühlsektors ist somit ein wichtiger Bestandteil einer erfolgreichen Energiewende in Deutschland. Thermische Aquiferspeicher (Aquifer Thermal Energy Storage, ATES) stellen eine vielversprechende Möglichkeit für nachhaltiges und klimafreundliches Heizen und Kühlen im Gebäudesektor dar und nutzen den geologischen Untergrund und insbesondere das darin enthaltene Grundwasser als Speichermedium für thermische Energie. Diese Speichertechnologie ermöglicht es, den zeitlichen Versatz zwischen Verfügbarkeit thermischer Energie und dem Bedarf an Wärme und Kälte zu überbrücken und so den Anteil erneuerbarer Energien sowie bisher ungenutzter Abwärme im Heiz- und Kühlsektor zu erhöhen. ... mehrDennoch ist ATES in Deutschland wie auch in vielen anderen Ländern bislang nur wenig verbreitet. Unter Berücksichtigung hydrogeologischer, technischer sowie politischer und gesellschaftlicher Faktoren soll diese Arbeit die Frage beantworten, wie thermische Aquiferspeicher zur Energiewende in Deutschland beitragen können.
Die erste Studie dieser kumulativen Arbeit zielt darauf ab, mögliche Treibhausgaseinsparungen zu bestimmen, die durch Aquiferspeicher erreicht werden können. Hierzu wird ein niederschwelliges Lebenszyklusanalysenregressionsmodell erstellt, das für die Ökobilanzierung einer großen Bandbreite möglicher ATES-Konfigurationen genutzt werden kann. Dank seiner parametrisierten Struktur stellt das Modell eine schnell zu verwendende Alternative zu konventionellen Lebenszyklusanalysen dar. Im Vergleich zu konventionellen, auf fossilen Brennstoffen basierenden Heiztechnologien zeigen sich bedeutende Einsparungen an Treibhausgasemissionen durch ATES von bis zu 74 %. Diese Einsparungen werden in Zukunft aufgrund eines zunehmenden Anteils erneuerbar generierten Stroms für den Betrieb der Aquiferspeicher weiter steigen. Verglichen mit elektrisch betriebenen Kompressionskältemaschinen zur Gebäudekühlung können typische Aquiferspeicher Treibhausgaseinsparungen von bis zu etwa 59 % erreichen.
Für eine bedeutende Realisierung dieser Treibhausgaseinsparungen sind ausreichend große Areale mit hydrogeologischen und klimatischen Bedingungen erforderlich, die für den ATES-Betrieb geeignet sind. Die zweite Studie nutzt daher wichtige Kriterien wie die Aquiferproduktivität, die Grundwasserströmungsgeschwindigkeit und klimabasierte Abschätzungen von Heiz- und Kühlbedarf, um für Aquiferspeicher geeignete Regionen zu identifizieren. Die resultierende Deutschlandkarte des qualitativen ATES-Potentials zeigt, dass etwa 54 % Deutschlands unter Ausschluss der Festgesteinsgebiete gut oder sehr gut für ATES geeignet sind, sodass Deutschland insgesamt ein hohes Potential für die Anwendung thermischer Aquiferspeicher bescheinigt werden kann. Insbesondere das Norddeutsche Becken, der Oberrheingraben und das Süddeutsche Molassebecken weisen eine sehr hohe Eignung auf. In Zukunft ist außerdem eine Zunahme der geeigneten Flächen zu erwarten, wie durch die Berücksichtigung klimatischer Veränderungen bis zum Jahr 2100 gezeigt werden kann.
Über die qualitative Untersuchung der ATES-Eignung hinausgehend wird in der dritten Studie ein Ansatz zur Quantifizierung des technischen ATES-Potentials auf der Stadtskala entwickelt. Die Stadt Freiburg im Breisgau in Südwestdeutschland dient dabei als exemplarisches Untersuchungsgebiet für die thermohydraulische 3D-numerische Simulation thermischer Aquiferspeicher mit unterschiedlichen, an die lokale Grundwasserströmungsgeschwindigkeit angepassten Brunnenkonfigurationen. Der Vergleich der so ermittelten ATES-Leistungsdichten mit dem bestehenden städtischen Heiz- und Kühlenergiebedarf zeigt, dass sich bedeutende Anteile des thermischen Energiebedarfs durch ATES decken ließen. Während sich für die Hälfte aller Wohngebäude im Untersuchungsgebiet Deckungsgrade des Heizenergiebedarfs von mehr als 60 % ergeben, könnten Aquiferspeicher den Kühlenergiebedarf von 92 % der Gebäude sogar vollständig decken. Der entwickelte Modellierungsansatz könnte in Zukunft auch in anderen Städten eingesetzt werden, um das Potential von Aquiferspeichern in der kommunalen Wärmeplanung zu berücksichtigen.
Neben der hydrogeologisch-technischen Machbarkeit ist eine zunehmende Verbreitung von Aquiferspeichern in hohem Maße von nationalen ATES-Policies abhängig. Die vierte Studie dieser Arbeit identifiziert daher mithilfe einer breit angelegten internationalen Onlineumfrage sowie Experteninterviews einige erfolgreiche, aber auch oftmals fehlende Policymaßnahmen, die auf einen verstärkten Einsatz thermischer Aquiferspeicher abzielen. Basierend auf den erlangten Erkenntnissen präsentiert die Studie Empfehlungen, wie eine geeignete ATES-Policy legislative, regulatorische und sozioökonomische Barrieren überwinden kann. Diese Empfehlungen betreffen neben legislativen und regulatorischen Anpassungen unter anderem Maßnahmen zur Steigerung des Bewusstseins und der Expertise bezüglich ATES sowie die potentiell bedeutsame Rolle von Aquiferspeichern in der kommunalen Wärmeplanung.
Die in dieser Arbeit gezeigten ökologischen Vorteile sowie substantiellen Einsatzmöglichkeiten thermischer Aquiferspeicher auf nationaler und auf kommunaler Ebene belegen ein großes transformatives Potential von ATES für eine erfolgreiche Energiewende in Deutschland. Die entwickelten Handlungsempfehlungen für eine geeignete ATES-Policy können dabei behilflich sein, dieses Potential seiner Ausschöpfung näher zu bringen.
Abstract (englisch):
Around half of Germany's final energy consumption is caused by heating and cooling processes. Decarbonizing the heating and cooling sector is therefore an important part of a successful energy transition in Germany. Aquifer Thermal Energy Storage (ATES) represents a promising solution for sustainable and climate-friendly heating and cooling in the building sector using groundwater and the geological subsurface as a storage medium for thermal energy. This storage technology can overcome the temporal mismatch between the availability of thermal energy and the demand for heating and cooling, increasing the share of renewable energy sources and previously unused waste heat in the heating and cooling sector. ... mehrNevertheless, the deployment of ATES in Germany, as in many other countries, has so far been very limited. This thesis aims to answer the question of how ATES can contribute to the energy transition in Germany, taking into account hydrogeological, technical, political, and societal factors.
The first study of this cumulative thesis aims to determine potential greenhouse gas emission savings that can be achieved with ATES. For this purpose, a low-threshold life cycle analysis regression model is created that can be applied to a wide range of possible ATES configurations. Due to its parametric structure, the model represents a quick-to-use alternative to conventional life cycle analyses. Significant savings in greenhouse gas emissions of up to 74 % are possible with ATES compared to conventional heating technologies based on fossil fuels. These savings are expected to rise in the future due to increasing shares of renewably generated electricity used for ATES operation. Compared to electrically powered compression chillers, typical ATES systems can achieve greenhouse gas emission savings of up to around 59 %.
To achieve large-scale realization of these greenhouse gas emission savings, sufficiently large areas with suitable hydrogeological and climatic conditions for ATES are necessary. The second study therefore identifies suitable regions for ATES based on important criteria such as aquifer productivity, groundwater flow velocity, and climate-based estimates of heating and cooling demands. The resulting ATES potential map of Germany shows that around 54 % of Germany, excluding hard rock areas, is well or very well suitable for ATES. Overall, Germany therefore has a substantial potential for ATES applications. High ATES suitability is shown for three regions in particular: the North German Basin, the Upper Rhine Graben, and the South German Molasse Basin. Considering climatic changes up to the year 2100, the study shows that future increases in suitable areas are to be expected.
In addition to the qualitative investigation of ATES suitability, the third study develops an approach for quantifying the technical ATES potential on the city scale. The city of Freiburg im Breisgau in Southwest Germany serves as an exemplary study area for thermo-hydraulic 3D numerical simulation of ATES systems with different well layouts that are adapted to the local groundwater flow velocity. Comparing ATES power densities determined from these simulations with the urban heating and cooling demands reveals that ATES could supply significant shares of the city’s thermal energy demand. For half of all residential buildings in the study area, heating supply rates of more than 60 % are shown. ATES could even completely supply the cooling demand of 92 % of the buildings. The developed modeling approach could also be used in other cities in the future to include the potential of ATES in city-scale urban energy planning.
Beyond hydrogeological and technical feasibility, appropriate national policies for ATES are essential in driving deployment. By means of a comprehensive online survey and expert interviews, the fourth study of this thesis therefore identifies successful, but also often missing, policy measures aimed at increasing ATES utilization. From these insights, recommendations for a sophisticated ATES policy are derived to overcome legislative, regulatory, and socio-economic barriers to a wider ATES deployment. Besides legislative and regulatory measures, the recommendations include actions to increase awareness and expertise regarding ATES as well as the potentially significant role of ATES in urban energy planning.
The environmental benefits and substantial application opportunities of ATES systems at national and city scales shown in this thesis demonstrate the great transformative potential of ATES for a successful energy transition in Germany. The recommendations for action developed for a sophisticated ATES policy can help to bring this potential closer to realization.