Abstract:
Obwohl unter Skifahrern bekannt ist, dass die Reibung zwischen Ski und Schnee massgeblich von den Schneebedingungen beeinflusst wird und dies auch in wissenschaftlichen Studien belegt wurde, existiert bis heute kein Modell, welches die Ski-Schnee-Reibung als Funktion von messbaren Schneeparametern berechenbar macht. Dies liegt neben der Schwierigkeit die Reibung unter realen Bedingungen zu messen sowie der begrenzten Übertragbarkeit von Reibungsmessungen im Labor auch daran, dass die Prozesse im Reibkontakt zwischen Ski und Schnee noch nicht vollständig verstanden sind. ... mehrDiese Arbeit verbindet darum erstmals kinematische Messungen von Ski- und Snowboardfahrern mit einer umfassenden Erfassung schneephysikalischer Parameter, mit dem Ziel Reibungskoeffizienten über einen grossen Bereich von Schneebedingungen zu ermitteln. Zudem wurden Laborexperimente durchgeführt, um die Reibungsprozesse im Übergang von trockenem zu nassem Schnee besser zu verstehen. Dabei galt der Fokus den Materialeigenschaften des Schnees und dessen Auswirkungen auf Wasserverteilung und reale Kontaktfläche an der Ski-Schnee Grenzfläche.
Trajektorien von mehr als 200 Gleitversuchen auf Ski und Snowboard wurden mittels differenziellem globalem Navigationssatellitensystem aufgezeichnet. Unter Einbezug von Windmessdaten entlang der Teststrecke sowie der im Windkanal bestimmten individuellen Aerodynamik der Athleten, wurde die Bewegungsgleichung des als Punktmasse vereinfachten Athleten nach dem Ski-Schnee Reibungskoeffizienten aufgelöst. Die so bestimmten Reibungskoeffizienten für Ski (Snowboard) lagen zwischen 0,023 ± 0,006 (0,026 ± 0,008) und 0,139 ± 0,018 (0,143 ± 0,017). Mit Hilfe eines multivariaten statistischen Modells wurde ein starker Zusammenhang mit den gemessenen Schneeparametern nachgewiesen (R2adj = 0.77). Reibungsminima der einzelnen Testläufe traten bei Geschwindigkeiten zwischen etwa 5 und 12 m s-1 auf und wurden massgeblich von Schneetemperatur und -feuchte beeinflusst. Um Einblicke in die Prozesse hinter der im Feldversuch quantifizierten Schneereibung zu gewinnen, wurden folgende Laborexperimente mit unterschiedlichen Schneearten durchgeführt: (1) Messung der Gleitschneereibung am Tribometer, (2) mechanische Charakterisierung von Schnee unter Kompression einschließlich (3) Kapazitätsmessungen zur Abschätzung von Wasseransammlungen an der Ski-Schnee Grenzfläche und (4) Schätzungen der gebildeten realen Kontaktfläche, abgeleitet aus hochauflösender Röntgen-Computertomographie. Die im Labor gemessenen Reibungskoeffizienten lagen zwischen 0,06 ± 0,01 bei trockenem, grobkörnigem Schnee und etwa 0,100 ± 0,006 bei nassem, feinkörnigem Schnee. Die Schneeverformung wurde von permanenten spröden und plastischen Verformungsanteilen dominiert; elastische und viskoelastische Verformungen waren hingegen klein. Anhand eines rheologischen Modells wurde zudem gezeigt, dass auf feinkörnigem Nassschnee auch viskoplastische Verformungen relevant sind. Ebenfalls auf feinkörnigem Nassschnee wurden verstärkte Wasseransammlungen an der Ski-Schnee-Grenzfläche nachgewiesen, was auf dessen grosses Wasserhaltevermögen und hohe Kompressibilität zurückgeführt wurde. Schätzungen der relativen realen Kontaktflächen lagen für die verschiedenen Schneearten zwischen 2,3 % und 6 % unter Annahme einer glatten Gleitfläche.
Die beschriebenen Laborresultate in Verbindung mit den gemessenen Schnee- und Geschwindigkeitsabhängigkeiten der Reibung im Feldversuch ergaben hinsichtlich der Reibungsprozesse folgende Schlussfolgerungen: (1) Auch auf präpariertem Pistenschnee können makroskopische Verdichtung und Pflügen einen relevanten Beitrag zur Schneereibung leisten. (2) Die Geschwindigkeitsabhängigkeit des Reibungskoeffizienten sowie die systematische Verschiebung der Reibungsminima zu höheren Geschwindigkeiten bei abnehmender Schneefeuchte bzw. -temperatur, bestätigte die etablierte Annahme der Schmierung durch Reibungswärme generiertes Schmelzwasser als dominierenden Prozess. (3) Die erhöhte Reibung auf feinkörnigem Schnee resultiert aus einer vergrößerten realen Kontaktfläche, welche sowohl die Trockenreibungsanteile erhöht als auch die hydrodynamischen Reibungsanteile beeinflusst. (4) Der starke Anstieg der Reibung bei höheren Geschwindigkeiten auf nassem Schnee unterstützt die Annahme einer kapillaren Widerstandskraft, die durch Wasserbrücken zwischen unbelasteten Körnern und dem Skibelag verursacht wird. (5) Höchste Reibung auf nassem Neuschnee resultiert aus der gleichzeitigen Vergrößerung der realen Kontaktfläche und der Wassermenge an der Grenzfläche, was vermutlich sowohl die hydrodynamische Reibung als auch Widerstände durch Kapillarbrücken erhöht. Neben Einblicken in die Reibungsprozesse auf Nassschnee bieten die im Feld gewonnenen Daten und Modelle ein neues, quantitatives Werkzeug für Praktiker, um die Ski-Schnee-Reibung bei unterschiedlichsten Schneebedingungen zu berechnen.
Abstract (englisch):
Previous research has shown that friction between ski and snow can vary substantially due to changes in snow conditions. However, despite multiple attempts over the last decades, to date no model can predict ski-snow friction from snow physical properties. Besides the difficulty to access tribological parameters under realistic skiing conditions and the limited transferability of laboratory conditions to the real case, this is because processes that control snow friction are still not fully understood. For the first time, this work combines kinematic athlete data and comprehensive snow surface measurements to infer the coefficient of friction of skis and snowboards across a wide range of snow conditions. ... mehrBeyond that, laboratory experiments were carried out to investigate slider-snow interactions on dry and wet snow focusing the influence of snow physical properties on the accumulation of interfacial water as well on the formation of the real contact area.
Athletes' point mass kinematics were recorded at more than 200 straight gliding runs with differential global navigation satellite systems. The subjects' air drag and lift were deployed from wind tunnel measurements. Along with the kinematic data and data from wind measurements, a mechanical model of the athlete was established to solve the equation of motion for the coefficient of friction between a ski/snowboard and the snow. The friction coefficients for ski (snowboard) ranged from 0.023 ± 0.006 (0.026 ± 0.008) to 0.139 ± 0.018 (0.143 ± 0.017) and could be explained well (R2adj = 0.77) from the measured snow parameters using a multivariate statistical model. Minimal friction occurred at speeds between about 5 and 12 m s-1 depending mainly on the snow temperature and wetness. To gain insights into the processes behind the quantified snow friction on the field, various laboratory experiments with different snow types were conducted: (1) slider-snow friction measurements, (2) mechanical characterization of snow under compression including (3) capacitance measurements to estimate interfacial water accumulations, and (4) estimations of the formed real contact area deduced from high resolution x-ray computed tomography. Friction coefficients ranged from 0.06 ± 0.01, on dry coarse-grained snow, to about 0.100 ± 0.006 on wet fine-grained snow. Snow deformations were dominated by permanent brittle and plastic deformation, but also elastic and viscoelastic deformations were measured, and, based on a rheological model, viscoplastic deformation were shown to gain relevance on fine-grained wet snow. On the same type of snow, enhanced water accumulations near the ski-snow interface were found. Besides the high water-holding capacity of fine-grained wet snow, its high compressibility was identified as a key property. Relative real contact areas were found between 2.3 and 6 %, assuming an entirely smooth slider.
In combination with the quantified snow properties and speed dependence of the ski-snow friction found on the field, the following conclusion were made concerning the frictional processes: (1) Even on groomed snow macroscopic compaction and plowing can contribute relevantly to the snow friction. (2) The speed dependence of the coefficient of friction showing distinct friction minima at characteristic speeds, which shifted depending on snow temperature and wetness, confirmed self-lubrication from frictional heating as a dominating process. (3) Elevated friction of ne-grained snow results from an increased real contact area which impacts dry and hydrodynamic friction. (4) The strong increase in friction for higher speeds on wet snow strengthen the idea of a capillary drag force caused by water bridges between unloaded grains and the ski base. (5) Highest friction on wet new snow results from the concurrent increase of real contact area and interfacial water increasing both, hydrodynamic friction as well capillary drag. Besides new insight into wet snow friction processes, the data and models revealed from the snow friction field measurements provide a new quantitative tool for practitioners to predict the friction of skis and snowboards on snow of various conditions. This is supposed to improve the validity of models used to design low impact snow park jumps for ski and snowboard freestyle disciplines.