Abstract:
Die EU-Wasserrahmenrichtlinie fordert die Erreichung eines guten ökologischen Zustands bzw. des guten ökologischen Potenzials aller europäischen Fließgewässer bis spätestens 2027. Vor allem in urbanen Räumen und anderen räumlich beengten Bereichen bestehen erhebliche Probleme, diese Zielvorgaben zu erfüllen. Bei Umgestaltungsmaßnahmen muss ein Ausgleich zwischen verschiedenen Interessen, u.a. zwischen Hochwasserschutz, Trinkwasserversorgung, Freizeitnutzung und ökologischen Belangen, gefunden werden. Im urbanen Bereich kommen weitere Hindernisse bei der Wahl geeigneter Maßnahmen hinzu: Der Entwicklungskorridor ist, vor allem durch die umgebende Bebauung, im urbanen Bereich stark beengt. ... mehrDementsprechend ist eine eigendynamische Gewässerentwicklung nicht möglich. Aufgrund des hohen Schadenspotenzials im Hochwasserfall müssen Sohle und Ufer stabilisiert werden. Dieser Umstand schränkt die Möglichkeiten zur Umgestaltung des Gewässers stark ein.
Die Anwendung dauerhaft überströmter inklinanter Buhnenbauweisen, im deutschsprachigen Raum Lenkbuhnen genannt, könnte bei begrenztem Entwicklungsraum eine Möglichkeit darstellen, die Funktion des Fließgewässers als Lebensraum entscheidend zu verbessern. Die bisherige Forschung konzentriert sich auf die Anwendung von Lenkbuhnen zum Zwecke des Uferschutzes. Dementsprechend werden die Bemessungsgrößen alleine auf die Schutzwirkung hin festgelegt. Das Umfeld von Lenkbuhnen ist allerdings durch eine große Strömungsvielfalt und damit einhergehende Sedimentfraktionierungen und Tiefenvarianz gekennzeichnet. Ihr Einsatz bietet also das Potenzial zur Schaffung abwechslungsreicher Lebensräume und Verbesserung der ökologischen Bedingungen.
Gegenstand dieser Arbeit ist daher die Untersuchung der gewässerstrukturierenden Eigenschaften von Lenkbuhnen und die Ableitung von Planungshilfen für die Praxis unter Nutzung von Methoden auf dem Stand der Technik. Dies geschieht durch einen kombinierten ganzheitlichen Ansatz aus Freiland- und Laborversuchen und numerischen Untersuchungen. Es wurde ein multikriterieller Forschungsansatz zur Untersuchung von Lenkbuhnen als naturbasierte Lösung („nature-based solutions“) entwickelt, der neben der ökologischen Zielstellung auch den nutzungsbedingten Ansprüchen an die Bauweise sowie wirtschaftlichen Aspekten gerecht wird. Die ökologischen Auswirkungen wurden statistisch mit dem hydraulisch-morphologischen Index der Diversität und die Habitateignung für die drei Referenzfischarten Äsche, Barbe und Nase mit dem fuzzy-logischen Habitatmodell CASiMiR und nach den Vorgaben der Landesstudie Gewässerökologie in Baden-Württemberg untersucht. Daneben wurden auch die Auswirkungen der Lenkbuhnen auf die Sohltopograhie, die Verfügbarkeit von Hochwasserschutzbereichen für die Fischfauna und die Hochwassersicherheit betrachtet und die Wirtschaftlichkeit der untersuchten Varianten verglichen.
Anhand eines Freilandversuchs konnte mit einem mehrjährigen Monitoringprojekt die generelle Eignung von Lenkbuhnen zur gewässerökologischen Aufwertung degradierter urbaner Fließgewässer gegenüber einer unbeeinflussten Referenzstrecke bei gleichzeitiger Verbesserung des Uferschutzes an einem Flachlandgewässer nachgewiesen werden.
Das Prozessverständnis der Bauweise wurde anhand eines Laborversuchs mit fester Sohle erweitert. Mit einer Parameterstudie konnte gezeigt werden, dass neben der Anordnung der Einbauten die Bemessungsparameter Höhe und das Verhältnis von Buhnenabstand zu Buhnenlänge die bestimmenden Parameter für die Bewertung des Uferschutzes, der Auswirkungen auf den Hochwasserschutz, der ökologischen Wirksamkeit und der Wirtschaftlichkeit der Bauweise bilden. Durch das Einbeziehen von Datensätzen aus einer weiteren Pilotuntersuchung und der Literatur konnten Schätzformeln für den Wasserspiegelanstieg und die uferschützende Wirkung der Bauweise in Abhängigkeit der Froude-Zahl, dem Abstand, der Länge, dem verbauten Querschnittsanteil und der Anzahl der seriell angeordneten Lenkbuhnen für drei verschiedene Anordnungsvarianten abgeleitet werden. Damit stehen dem Planungsingenieur Werkzeuge für die Vordimensionierung der Bauwerke zur Verfügung, die die weitere Verbreitung der Bauweise fördern.
Aus den Untersuchungen mit fester Sohle wurden zwei Vorzugsvarianten abgeleitet, die in Laborversuchen mit beweglicher Sohle mit den Varianten aus dem Freilandversuch und einer nach Stand der Technik dimensionierten Mittelwasserbuhne verglichen wurden. Anhand der Analyse der bauwerksnahen Kolke konnten Empfehlungen hinsichtlich der Einbindetiefe der Einbauten abgeleitet werden. Es konnte gezeigt werden, dass sich in allen Varianten mit Lenkbuhnen die Habitateignung, die Verfügbarkeit von Hochwasserschutzbereichen und der Uferschutz bei nur geringfügigem Anstieg der Wasserspiegellage gegenüber dem Ausgangszustand verbessern ließen. Die Wirkung der ein– und beidseitigen Varianten war dabei denen wechselseitiger Varianten überlegen. Sie wiesen bei deutlich geringeren Auswirkungen auf die Wasserspiegellage und geringeren Kosten nur leichte Abnahmen in Bezug auf die Anforderungskriterien hinsichtlich Uferschutz, Habitateignung und Schutzbereichen gegenüber von deutlich höheren Mittelwasserbuhnen auf.
Ein anschließender Methodenvergleich der drei Untersuchungsbausteine bestätigte die Vergleichbarkeit der Ergebnisse aus den Einzeluntersuchungen. Es wurden Empfehlungen zur Fortentwicklung des Forschungsansatzes unter Einbeziehung von Methoden auf dem Stand der Forschung gegeben, so dass dieser zur Entwicklung weiterer naturbasierten Lösungen genutzt werden kann.
Mit der vorliegenden Arbeit konnte gezeigt werden, dass Lenkbuhnen wirkungsvolle Instrumente zur Gewässerstrukturierung in urbanen und anderen hydraulisch herausfordernden Bereichen darstellen und somit die Zielerreichung nach der Wasserrahmenrichtlinie fördern.
Abstract (englisch):
The European Water Framework Directive states that all European rivers must achieve good ecological status for all European rivers by 2027. Especially in urban environments, there are serious problems to reach this objective. River restoration is always a balance between different interests, e.g. flood protection, water supply, recreational use and ecological issues. In urban environments, the planning engineer is confronted with additional difficulties: The spatial conditions are restricted, especially through nearby buildings. Consequently, it isn’t possible to develop watercourses through their own dynamics. ... mehrPlus, the high catastrophic potential in the case of floods requires the stabilization of river bank and river bed. These facts significantly reduce the possibilities of river restoration.
The implementation of different construction methods of submerged groins, e.g. micro groins, could offer a possibility for improving the water body’s function as a habitat in spatially restricted environments. Until now, research in this field has concentrated on the implementation of micro groins as a means for bank protection. Accordingly, its design parameters are determined only by the protective effect. However, by changes in the velocity distribution, they also initiate a structuring of the river bed. The surroundings of micro groins are characterized by flow diversity and thus a large variety of sediment distribution and hydraulic depths. Consequently, the implementation of micro groins has the potential to create diversely structured habitats. Thereby, the ecological status could be greatly improved.
The presented research project examines, if and how micro groins could be used as a method to improve river bed structures by a combined holistic approach of field and laboratory experiments and numerical modelling. The aim of this project is therefore the investigation of the bed-structuring effects of micro groins and the derivation of planning aids for practitioners using state-of-the-art-methods.
A multi-criteria research approach for the investigation of micro groins as nature-based solutions was developed, which, in addition to the ecological objectives, also considers the usage-related demands on the construction method as well as economic aspects. The ecological effects were investigated statistically with the hydro-morphological index of diversity and the habitat suitability for the three reference fish species grayling, barbell and nose was analysed with the fuzzy-logical habitat model CASiMiR and according to the specifications of the state study on water ecology in Baden-Württemberg. In addition, the effect of micro groins on the bed topography, the availability of flood protection areas for the fish fauna and on flood safety were also part of the investigations. Moreover, the economic viability of the variants was considered as well.
A field experiment at a lowland river was designed and investigated with a multi-year monitoring project. It could be shown that micro groins are generally suitable to improve the ecological status of a degraded urban watercourse compared to an unaffected reference reach. In addition to that, the bank protection was simultaneously improved as well.
The process understanding of the construction method was extended by means of a laboratory test with a fixed bed. A parameter study showed that, in addition to the arrangement of the groins, the design parameters height and the ratio of groin spacing to groin length are the determining parameters for the evaluation of bank protection, the effects on flood protection, the ecological effectiveness and the economic efficiency of the construction method. By incorporating additional data sets from another pilot study and the literature, estimation formulas for the water level rise and bank protection effect of the design as a function of Froude number, height, spacing, length, and number of serially arranged micro groins could be derived for three different arrangement variants. This provides planning engineers with tools for the pre-dimensioning of the structures, which will promote the further propagation of the construction method.
Two preferential variants were derived from the laboratory experiments with a fixed bed. They were analysed in laboratory experiments with movable bed and compared to the variants from the field tests and a state-of-the-art designed groin for mean-flow conditions. On the basis of the analysis of the scouring processes close to the structure, recommendations could be derived with regard to the embedment depth of the micro groins. It could be shown that the habitat suitability, the availability of flood protection areas as well as the bank protection could be improved in all variants with micro groins with only a slight increase of the water level compared to the initial conditions. The effect of the one-sided and two-sided variants was superior to that of the alternating variants. They showed only slight decreases in relation to the design criteria with regard to bank protection, habitat suitability and flood protection areas compared to significantly higher mean-flow conditions groins, with significantly lower effects on the water level and lower costs.
A subsequent comparison of the methods of the research approach confirmed the comparability of the results from the individual studies. Recommendations were made for the further development of the research approach, incorporating current state of research methods, so that it can be used to develop further nature-based solutions in line with the guiding principles.
With the present work it could be shown that micro groins are effective instruments for river structuring in urban and other hydraulically challenging areas and thus promote the achievement of objectives according to the Water Framework Directive.