Abstract:
Im Rahmen der Energiewende sind dezentralisierte Power-to-X-Anlagen zur Umwandlung von lokaler, überschüssiger, erneuerbarer, elektrischer Energie in leicht speicherbare chemische Energieträger ein wichtiger Baustein. Insbesondere für die kleinskalige Aufarbeitung der Rohprodukte durch die Rektifikation fehlen hier jedoch noch Lösungen.
Die vorliegende Arbeit beschreibt die Entwicklung additiv gefertigter, modularer, mikrostrukturierter Rektifikationsapparate mit helikaler Strömungsführung für solche Anwendungen. Zudem wird die additive Fertigung als Verfahren zur Herstellung von mikroverfahrenstechnischen Apparaten anhand dieses Beispiels etabliert. ... mehr
Basierend auf einer Literaturrecherche hinsichtlich bereits bekannter Konzepte für die Mikrorektifikation zeigt sich, dass die helikale Strömungsführung im Vergleich zu anderen Konzepten bezüglich ihrer Trennleistung, ihres Durchsatzes sowie spezifischen Apparatevolumens besonders vorteilhaft ist. Obwohl dieses Apparatekonzept bereits seit Mitte des letzten Jahrhunderts bekannt ist, konnte es sich aufgrund des hohen Fertigungsaufwands sowie der damit verbundenen hohen Kosten bislang nicht durchsetzen. Hier können die neuen Möglichkeiten der additiven Fertigung helfen, diese Hürden zu überwinden.
Für die modellgestützte Auslegung wurden zwei Modelle erarbeitet. Ein Filmmodell für die Flüssigkeitsströmung liefert wichtige Ergebnisse zur Apparateauslegung. Bei höheren Flüssigkeitsbelastungen fließt die Flüssigkeit, von der Zentrifugalkraft getrieben, hauptsächlich an der Außenseite und überkompensiert den längeren Laufweg durch eine höhere Geschwindigkeit deutlich. Für eine geringe Filmhöhe und gleichmäßige Flüssigkeitsverteilung sollte daher der Kanal möglichst breit sein. Zweitens sollte eine Kurzschlussströmung im Inneren der Helix entlang der vertikalen Achse durch eine innere Begrenzung vermieden werden.
Zur Modellierung der Trennleistung wurde das sogenannte hydrodynamische Analogiekonzept erfolgreich für helikale Rektifikationsapparaturen angewandt. Dabei wurde die Strömung in den Apparaten als zweidimensionale Strömung vereinfacht und mit dem vereinfachten Geschwindigkeitsprofil die Konvektions-Diffusions-Gleichung numerisch gelöst. Der Einfluss der Sekundärströmung in der Gasphase wurde mit Hilfe der ortsabhängigen Dispersionskoeffizienten einbezogen. Die Modellierungsergebnisse zeigen, dass die Trennleistung durch die Sekundärströmung um etwa den Faktor vier, im Vergleich zu einer laminaren Spaltströmung, erhöht werden kann. Eine Parameterstudie ergab, dass die Kanalhöhe und die Gasbelastung kritische Einflussfaktoren sind. Eine zusätzliche Durchmischung der Gas- und Flüssigphase durch Einbauten ist nach der Modellierung vorteilhaft.
Mit diesen Ergebnissen wird das Wirkprinzip der Apparate auf die helikale Gegenströmungsführung von Gas und Flüssigkeit festgelegt. Vor der Konstruktion werden die Systemgrenzen, die Randbedingungen und Schnittstellen definiert. Die zwei verwendeten Verfahren (Pulverbettbasiertes Schmelzen von Metallen mittels Laser (PBF-LB/M) und Binder-Jetting auf Metalle) und deren Gestaltungsrichtlinien werden vor der detaillierten Konstruktion vorgestellt.
Die Parameteroptimierung für die Fertigung von dünnwandigen, gasdichten Bauteilen mit überhängenden Flächen mittels PBF-LB/M-Verfahren erweitert dieses für den Einsatz in der Verfahrenstechnik und legte die Grundlagen für die Herstellung der Apparate. Mit Hilfe der statistischen Versuchsplanung wurde das geeignete Prozessfenster für den Spurabstand, die Lasergeschwindigkeit und die Laserleistung ermittelt. Anhand von Probekörpern wurde erfolgreich nachgewiesen, dass es trotz der geringen Fehlertoleranz möglich ist, gasdichte Wände mit einer Wandstärke von weniger als < 300 µm und einem Überhangwinkel von 30° mit Hilfe des PBF-LB/M-Verfahrens herzustellen. Die Gewährleistung einer hohen Reproduzierbarkeit des Prozesses stellt einen entscheidenden Faktor dar.
Die Entwürfe für die Apparate zeigen den Einfluss, den das gewählte additive Fertigungsverfahren auf die Gestalt der Apparatur hat. Die Vor- und Nachteile der beiden Verfahren im Design- und Fertigungsprozess werden vergleichend diskutiert. Beim PBF-LB/M-Verfahren stellt die Fertigung von überhängenden Flächen eine Herausforderung dar, weshalb die Teile geneigt gefertigt und aufgebaut werden müssen. Beim Binder-Jetting-Verfahren liegt der kritische Schritt nicht im eigentlichen Druck, sondern in der Entpulverung der fragilen Grünkörper und im Sinterprozess. Das PBF-LB/M-Verfahren ist sowohl in Bezug auf Fertigungszeit als auch Kosten für die untersuchte Stückzahl vorteilhaft. In modularem Design können bis zu 9 Apparaturen innerhalb von 72 Stunden gefertigt werden. Mit Herstellungskosten von etwa 120 Euro pro Modul bewegt es sich im Bereich von Verkaufspreisen kommerzieller Laborpackungen, was das Potenzial für die wettbewerbsfähige Fertigung von mikrostrukturierten Rektifikationsapparaturen bzw. mikroverfahrenstechnischen Apparaturen im Allgemeinen mit der additiven Fertigung zeigt.
Es wurde ein Teststand zur schnellen experimentellen Charakterisierung verschiedener Apparate aufgebaut. Dieser ermöglichte die Bestimmung der Massen- und Wärmeströme sowie schnelle Wechsel zwischen verschiedenen Apparaten. Im Zusammenspiel mit der fertigungsgerechten Gestalt konnten insgesamt über 50 verschiedene Apparate experimentell charakterisiert werden. Dies unterstreicht das enorme Potenzial für die Apparateentwicklung und zeigt die schnellen Design-Test-Zyklen, die mit der Technologie möglich sind. Zur generellen Überprüfung des Wirkprinzips wurden Apparate mit unterschiedlicher Windungszahl gefertigt und die theoretische Trennstufenzahl mit dem Testsystem Cyclohexan/n-Heptan bestimmt. Es zeigte sich eine lineare Abhängigkeit von der Anzahl der Windungen, was beweist, dass die Trennwirkung von der Kanalwindungszahl bestimmt wird und nicht von Einlaufeffekten. Bei den Versuchen wurden Trennleistungen von bis zu 14 Millimeter pro theoretischer Trennstufe erreicht. Zudem wurde eine Abhängigkeit der erzielten Trennleistung vom Montagewinkel identifiziert. Durch eine leichte Verkippung der Apparate um 5 Grad um die Horizontale wurden deutlich höhere Trennleistungen, insbesondere bei niedrigen Belastungen, ermittelt. Versuche mit transparenten Apparaten führen dies auf eine bessere Flüssigkeitsverteilung und Durchmischung zurück. Durch Einbauten konnte dieser Effekt minimiert werden. Regelmäßige Gitterstrukturen an allen Kanalwänden konnten die Trennleistung so zudem um 50 % steigern. Hiermit wurden Trennleistungen von nur 6 Millimeter pro theoretischer Trennstufe möglich. Erste Versuche zeigten die Anwendbarkeit auf die Methanol-Wasser-Rektifikation. Das Konzept ist daher für den Einsatz in der Methanol-Wasser-Destillation vielversprechend und wird in Zukunft im Rahmen des Projekts „H2Mare“ weiter untersucht werden.
Zusammenfassend handelt es sich bei dieser Arbeit um einen Schritt in Richtung Anwendung von modularen, mikrostrukturierten Rektifikationsapparaturen. Die Verwendung der additiven Fertigung ermöglichte die Überwindung bisheriger Hindernisse bei der Fertigung von Apparaten mit helikaler Strömungsführung. Die erzielten hohen Trennleistungen zeigen das Potenzial des Konzepts. Durch weitere Optimierungen in Bezug auf Durchsatz, Energieeffizienz und Trennleistung können wettbewerbsfähige Apparate für dezentrale und kompakte Anlagen entstehen.
Abstract (englisch):
Decentralized Power-to-X plants for converting local, surplus, renewable electrical energy into easily storable chemical energy carriers are an important component of the energy transition. However, solutions are still lacking, especially for small-scale processing of feedstocks by distillation.
Therefore, this work describes the development of additively manufactured, modular, microstructured rectification apparatuses with helical flow guidance for such applications. In addition, additive manufacturing is established as a process for fabricating micro process equipment. ... mehr
Based on a literature review of known concepts for micro distillation, it is shown that helical flow paths are advantageous compared to other concepts in terms of separation performance, throughput, and specific volume of the apparatus. Despite being known since the middle of the last century, this concept has not yet been adopted due to the high manufacturing effort and associated high costs. However, the advent of additive manufacturing can help overcome these challenges.
Two models were developed for the design of the apparatus. A model for the liquid film provides important results for the design of the apparatus: At higher liquid loads, the liquid flows mainly on the outside, driven by centrifugal force, and the significantly longer travel distance is more than compensated for by the higher velocity. As a result, the residence time at that location decreases. Therefore, it is recommended to widen the channel for low film height and uniform liquid distribution. An inner boundary should also be used to prevent short-circuit flow along the vertical axis of the helix.
The separation performance was modeled using the hydrodynamic analogy concept, which was successfully adapted and applied to the helical distillation apparatus. The flow in the apparatus was simplified as two-dimensional, and the convection-diffusion equation was numerically solved using a simplified velocity profile. The influence of the secondary flow in the gas phase was included by employing location-dependent dispersion coefficients. The modeling results indicate that the secondary flow can increase the separation efficiency by a factor of about four compared to a laminar gap flow. A parameter study revealed that the critical influencing factors are the channel height and the gas load. The modeling suggests that additional mixing of the gas and liquid phase through internals is advantageous.
With these results, the operating principle of the apparatus is fixed on the helical countercurrent flow of gas and liquid. Prior to the design, the system boundaries, constraints and interfaces are defined. The two processes used (powder bed fusion of metal with laser-based system (PBF-LB/M) and binder jetting on metals) and their design guidelines are presented prior to the detailed design.
The parameter optimization for the production of thin-walled, gas-tight parts with overhanging surfaces using the PBF-LB/M process significantly increases the possibilities for the design of process equipment and lays the foundation for the production of helical distillation units. A statistical design of experiments approach was used to determine the appropriate process window for laser speed and power. With test specimens, it was successfully demonstrated that the PBF-LB/M process can produce gas-tight walls with a wall thickness of less than < 300 µm and an overhang angle of 30°, despite the small fault tolerance. Ensuring high process repeatability is the critical factor.
The different designs of the so-called "HeliDist" units show the influence of the chosen additive manufacturing process on the design of the apparatuses. The advantages and disadvantages of the two processes in the design and manufacturing process are discussed comparatively. In the PBF-LB/M process, the fabrication of overhanging surfaces is a challenge, requiring the apparatuses to be fabricated and built at an angle. In the binder jetting process, the critical step is not the actual printing, but the depowdering of the fragile green bodies and the sintering process. The PBF-LB/M process is advantageous in terms of both manufacturing time and cost. In modular design, up to 9 devices can be manufactured within 72 hours. With a fabrication cost of about 120 Euro per module, it is in the range of commercial laboratory packages, which shows the potential for competitive fabrication of microstructured distillation equipment or micro process equipment in general.
A test rig has been set up for rapid experimental characterization of different distillation apparatus. It allowed the determination of mass and heat flows, as well as fast changes between different apparatuses. In combination with the production-ready design, more than 50 different apparatuses have been experimentally characterized. This underscores the enormous potential for device development and demonstrates the rapid design-test cycles possible with AM technologies. For a general verification of the working principle, apparatuses with different number of turns were fabricated and the theoretical number of plates was determined using the cyclohexane/n-heptane test system. A linear dependence on the number of turns was found, proving that the separation efficiency is determined by the number of channel turns and not by inlet effects. During these tests separation efficiencies of down to 14 millimeters per theoretical separation plate were achieved. In addition, a dependence of the separation efficiency on the mounting angle was identified.
The feasibility of directly manufacturing regular lattice structures within the channels as a layer to guide the liquid has proven to be very promising. Regular lattice structures with a layer height of 0.625 mm on all channel walls were able to increase the separation performance by up to 50% compared to without these internals. As a result, with a HeliDist unit with a pitch of 4 millimeter, separation performance of only 6 millimeter per theoretical plate were possible. At the same time, the effect of assembly misalignment was significantly reduced.
Initial tests have also shown the applicability of the HeliDist concept to the methanol-water system. The concept is therefore suitable for use in methanol-water distillation and will be further investigated in the future as part of the "H2Mare" project.
In summary, this work represents a step toward the application of modular, microstructured distillation apparatuses. The use of additive manufacturing has overcome previous obstacles in the production of distillation apparatuses with helical flow guidance. The achieved high separation performance demonstrates the potential of this concept. Further optimization in terms of throughput, energy efficiency, and separation performance can result in competitive distillation apparatuses for decentralized and compact Power-2-X systems.