Als zentrale Gatekeeper der Bildungssysteme und wesentliche Treiber von Schulentwicklungsprozessen spielen Schulleitungen eine transformative Rolle bei der (Weiter-) Entwicklung von Bildungseinrichtungen (Fullan, 2016). In der Vergangenheit wurde die Forschung im Bereich des „educational leadership“ vorwiegend von angloamerikanischen Studien geprägt, die wiederum hauptsächlich die Effektivität von „school leadership“ in Bildungseinrichtungen untersuchten (z. B. Hallinger, 2013). Aber anders als im angloamerikanischen Raum übernehmen Schulleitungen in Deutschland historisch gewachsen andersartige Aufgaben, da sie oft überlappende Rollen als Teilzeitlehr- und Führungskräfte innehaben (Klein, 2016). Darüber hinaus mangeln den vorherrschenden normativen oder normativ-analytischen Studien im Bereich der Schulleitungsforschung in deutscher Sprache häufig solide theoretische Grundlagen (Johannmeyer & Cramer, 2023). Es ist anzunehmen, dass die im Englischsprachigen vorherrschenden managementorientierten Führungstheorien nicht direkt auf den deutschen Diskurs übertragen werden können/sollten.
Diese Forschungslücke adressieren wir mit einem systematischen Scoping-Review nach Moher et al. ... mehr(2009) zur deutschsprachigen, peer-reviewed Literatur zur Rolle der Schulleitung in Schulentwicklungsprozessen. Dies umfassten die Identifizierung, Auswahl, kritische Bewertung und Datenanalyse von 14 relevanten Artikeln, darunter sieben qualitative, fünf quantitative, eine Mixed-Methods-Studie sowie ein theoretischer Beitrag. Geografisch beleuchten die Studien zehn deutsche Stichproben, eine österreichische Stichprobe, eine Schweizer Stichprobe sowie eine Studie, die deutsche und schweizerische Schulleitungen vergleicht, und eine weitere, die deutsche und US-amerikanische Schulleitungen vergleicht, was somit eine vielfältige und facettenreiche Landschaft berücksichtigt. Wir analysieren derzeit die Daten mittels thematischer Analyse nach Braun und Clarke (2020), um ein tieferes Verständnis der generierten Muster und Themen innerhalb der ausgewählten Literatur zu erhalten.
Erste Ergebnisse heben eine Verschiebung des Forschungsschwerpunkts und die Anerkennung der Implementierung von Managementwerkzeugen in einem Bereich hervor, der historisch aus einer pädagogischen Rolle herausgewachsen ist. Unterschiede zwischen Schultypen, -größen und Variationen in der Autonomie einzelner Schulen unterstreichen die Komplexität und den Umfang von Aktivitäten, für die Schulleitungen in Deutschland verantwortlich sind (z. B. Klein, 2016). Die New Public Management-Bewegung und ihre damit verbundene Orientierung an evidenzbasierter Schulentwicklung (z. B. ICILS, PISA oder standardisierte nationale Tests) haben begonnen, die Forschung zur Schulleitung im deutschsprachigen Raum zu prägen (z.B. Altrichter et al., 2012). Während die Personalentwicklung im angloamerikanischen Diskurs oft klar als Teil der Verantwortlichkeiten von Schulleitungen definiert ist, haben deutsche Schulleitungen diese Aufgabe vergleichsweise erst kürzlich als eigenständigen Bereich ihrer Aufgaben wahrgenommen (z. B. Braun et al., 2018; Voigt & Engel, 2018). Darüber hinaus haben wir festgestellt, dass die wahrgenommene Akzeptanz der Schulleitung innerhalb des Kollegiums die Rolle und Handlungsmöglichkeiten der Schulleitung in Schulentwicklungsprozessen stark beeinflusst (z. B. Klein, 2016; Voigt & Engel, 2018). Angesichts gesellschaftlicher Prozesse wie der digitalen Transformation (Tulowitzki & Gerick, 2020) entwickelt sich die Rolle der Schulleitung weiter, und unsere Ergebnisse betonen die Notwendigkeit einer Professionalisierung dieser Schlüsselposition innerhalb der Schulen. In Anlehnung an Johannmeyer und Cramer (2023) diskutieren wir Fragen zum Zeitgeist der formalen Qualifikation von Schulleitungen in verschiedenen Makrokontexten und wie dies mit Schulentwicklung und Bildungsqualität zusammenhängt. Darüber hinaus reflektieren wir kritisch die Eignung der vorwiegend managementorientierten Forschungs- und Theorieansätze aus dem angloamerikanischen Kontext für die (notwendige) Professionalisierung von Schulleitungen in Deutschland für eine erfolgreiche Schulentwicklung.
Literatur
Altrichter, H., Kemethofer, D. & Leitgöb, H. (2012). Ansätze der Systemsteuerung in der Einschätzung von Schulleitern. Empirische Pädagogik, 26, 12-32.
Braun, V., & Clarke, V. (2020). One size fits all? What counts as quality practice in (reflexive) thematic analysis? Qualitative Research in Psychology, 18(3), 328–352. https://doi.org/10.1080/14780887.2020.1769238
Braun, A., Weiß, S. & Kiel, E. (2018). Interkulturelle Schulentwicklung an Grundschulen. Zeitschrift für Bildungsforschung, 8, 121–135. https://doi.org/10.1007/s35834-018-0214-y
Fullan, M. (2016). The New Meaning of Educational Change (5. Aufl.). New York: Teachers‘ College Press.
Hallinger, P. (2014). Reviewing Reviews of Research in Educational Leadership: An Empirical Assessment. Educational Administration Quarterly, 50(4), 539-576. https://doi.org/10.1177/0013161X13506594
Johannmeyer, K. & Cramer, C. (2023). Fortbildung von Schulleitungen in der Berufsbiografie. Programmanalyse zur Qualifizierung schulischer Führungspersonen. Beiträge zur Lehrerinnen- und Lehrerbildung, 41(1), 136-150.
Klein, E. (2016). Schulleitungshandeln an staatlichen Schulen in Deutschland und den USA. Zeitschrift für Erziehungswissenschaften, 20, 61–87. https://doi.org/10.1007/s11618-016-0695-1
Moher, D., Liberati, A., Tetzlaff, J., Altman, D.G., (2009). Preferred reporting items for systematic reviews and meta-analyses: the PRISMA Statement. Open Medicine, 3(2): 123-130.
Tulowitzki, P. & Gerick, J. (2020). Schulleitung in der digitalisierten Welt. Empirische Befunde zum Schulmanagement. Die Deutsche Schule, 112(3), 324-337
Voigt, M. & Engel, I. (2018): Wie viel und welche unternehmerischen Kompetenzen brauchen Lehrkräfte und Schulleitungen? bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online, 35, 1-21.