Abstract:
In der vorliegenden Dissertation wurden erstmals sichere Wasserstoffbromid(HBr)/Brom(Br2)-Hochenergie-Elektrolyte für die Anwendung in Wasserstoff-Brom-Redox-Flow Batterien (H2/Br2-RFB) mit einer praktisch nutzbaren Elektrolytkapazität von 179,6 Ah L-1 entwickelt. Deren hohe Kapazität wird durch die sehr hohe Löslichkeit von Br2 in HBr-Lösungen als Polybromide (Br3-, Br5-, Br7-) ermöglicht, woraus sich konzentrationsbasierte Ladungszustände SoC des Elektrolyten definie-ren: SoC = 0 % mit c(HBr) = 7,7 M und SoC = 100 % mit c(HBr) = 1 M und c(Br2) = 3,35 M. Diese Definition erfolgt auf Basis der Limitierungen durch die Löslichkeit von Br2 im Elektrolyten, die Leitfähigkeit des Elektrolyten und der Nafion™-Membran in der Zelle. ... mehrErstmals ist es aufgrund die-ser Arbeit möglich, Anteile an Brom in unterschiedlichen Polybromiden in flüssigen Elektrolytpha-sen mittels Ramanspektroskopie zu bestimmen. Anhand von erstmals ermittelten Polybromidkon-zentrationen in HBr-Elektrolyten, war es möglich zu zeigen, dass die in der Literatur bekannten Po-lybromidgleichgewichte für Br3- und Br5- nicht bei hohen HBr/Br2-Konzentrationen gültig sind.
Br2 hat in diesen Elektrolyten einen hohen Dampfdruck, ist gesundheitsschädlich, sowie korrosiv gegenüber Zellmaterialien und tritt über die Membran in die negative Wasserstoffhalbzelle. Diese Einflüsse werden durch einen Einsatz von Bromkomplexierungsmitteln (BCA) im Elektrolyten ver-ringert. Aufgrund der mangelnden Löslichkeit von [BCA]+-Kationen und Polybromidanionen in wässriger Lösung, wird eine zweite flüssige Phase, eine schwere Salzschmelze gebildet. Aus 38 unter-schiedlichen [BCA]+-Kationen wurde anhand des Einflusses auf die Elektrolyteigenschaften ein BCA ausgewählt, dass für eine Anwendung in der Zelle geeignet ist: 1-Ethylpyridin-1-iumbromid [C2Py]Br. [C2Py]Br (1,11 M) ist im Elektrolyten löslich, bildet eine stabile flüssige Salzschmelze im gesamten SoC-Bereich und bindet Br2 ausreichend (89 mol%) aber moderat (c(Br2,aq) ≤ 0,26 M), um sichere Elektrolyte zu erhalten. Während des Entladevorgangs wird weiterhin eine ausreichende Br2-Menge für die Entladereaktion zur Verfügung gestellt.
Große organische [BCA]+-Kationen sind in HBr-Lösungen unlöslich. Symmetrische [BCA]+-Kationen mit kleinen Methyl- und Ethylresten bilden Kristalle anstatt einer flüssigen Salzschmelze und BCAs mit langen Alkylresten wie n-Butyl oder n-Hexyl binden Br2 zu stark (> 95 mol%), sodass sie für die Anwendung nicht in Frage kommen. Es wurden in der Arbeit erstmals und systematisch Br2-Konzentrationen, [BCA]+-Konzentrationen in Elektrolyten, Redoxpotentiale und Leitfähigkeit der Elektrolyte, Stabilität der Salzschmelze und deren Abhängigkeit von der Elektrolytzusammenset-zung je SoC, dem BCA-Grundmolekül und vor allem den Seitenketten der BCAs ausführlich unter-sucht.
Trotz hoher Br2-Konzentrationen der Salzschmelze bis 13,6 M Br2 ist ihre Anwendung in der H2/Br2-RFB aufgrund ihrer geringen Leitfähigkeit und gleichzeitig hohen Viskositäten gegenüber wässrigen Elektrolytlösungen nicht möglich. Erstmals wurde nachgewiesen, dass die Salzschmelzen nur aus [BCA]+-Kationen und Polybromidanionen Br2n+1- bestehen und wasserfrei, sowie frei von elementa-ren Br2 sind. Die Leitfähigkeit der Salzschmelze basiert auf einem Hopping-Mechanismus, der vorge-schlagen und diskutiert wird.
Im Betrieb schränken in der wässrigen Phase gelöste [BCA]+-Kationen die Leistungsfähigkeit der H2/Br2-RFB zunächst enorm ein. [C2Py]+-Kationen in der Zelle bilden während des Ladevorgangs mit neu gebildeten Polybromiden geringfügig leitfähige Salzschmelzen im Elektrodenfilz (reversibel). Gleichzeitig treten die positiv geladenen [BCA]+-Kationen in Wechselwirkung mit negativ geladenen Sulfonatgruppen der Nafion™ 117-Membran und verdrängen durch ihren hydrophoben Charakter Wasser aus der Membran (irreversibel). Membranleitfähigkeit und Elektrolytleitfähigkeit nehmen beide ab und starke Überspannungen treten auf. Obwohl der Elektrolyt sicherer wird, führt der Ein-satz von BCAs zunächst zu einer Einschränkung des Zellverhaltens und nur 30 % (53,9 Ah L-1) der angestrebten Kapazität (179,6 Ah L-1) sind praktisch nutzbar. Langzeittests zeigen, dass der Übertritt von Wasser und Br2 aus der Bromhalbzelle in die Wasserstoffhalbzelle beide nachteiligen Effekte intensiviert. Die Konzentration von [C2Py]+-Kationen sollte reduziert werden.
Durch gezielte Beeinflussung des BCA-Polybromid-Löslichkeitsgleichgewichts konnten bis zu 96 mol% der [BCA]+-Kationen im gesamten SoC-Betriebsbereich in die Salzschmelze überführt wer-den. Ein Bromüberschuss im Stoffmengenverhältnis zwischen Br2 und [BCA]Br von ≥ 2,4 führt zu einer Verschiebung des Gleichgewichts zu Gunsten der Speicherung von [BCA]+-Kationen in der Salzschmelze. Zwar steigen dadurch die Bromkonzentrationen in der wässrigen Lösung an, wobei jedoch weiterhin 74 mol% Br2 in der Salzschmelze gespeichert bleiben. Durch die starke Reduzierung der [BCA]+-Konzentration in wässriger Lösung, wurden die nachteiligen Effekte in der Bromhalbzelle weitestgehend unterdrückt. Das Zyklierverhalten kann im gesamten SoC-Bereich dem Zyklierverhal-ten von BCA-freien Elektrolyten, gleichgesetzt werden. Es wird damit erstmals eine praktisch nutzba-re Kapazität von 179,6 Ah L-1 mit BCAs in der H2/Br2-RFB erreicht. Ohne [C2Py]+-Kationen in der wässrigen Phase sollte die Überführung von Br2 in die Salzschmelze limitiert sein. Jedoch wurde erstmals ein neuer Absorptionsmechanismus zwischen der wässrigen Phase und der Salzschmelze ermittelt, wobei nur Br2 zwischen den Polybromiden auf beiden Seiten der Phasengrenzfläche ausge-tauscht wird. Die sichere Speicherung von Br2 in der Salzschmelze bleibt weiterhin gewährleistet.
Aufgrund der geringen Anschaffungskosten von ca. 57 EUR kWh-1, auch für modifizierte Elektrolyte mit [C2Py]Br, ist der in der Arbeit entwickelte Elektrolyt eindeutig konkurrenzfähig gegenüber den Elektrolytkosten anderer Systeme (Vanadium-RFB ≈ 241 EUR kWh-1 oder höher).
Durch den Einsatz von BCAs wurde in dieser Arbeit ein kostengünstiger, neuartiger und sicherer Hochenergie-Elektrolyt auf Basis von Br2/HBr für die H2/Br2-RFB entwickelt. Mit diesem Elektroly-ten konnte eine praktisch nutzbare Kapazität von 179,6 Ah L-1 und eine Energiedichte im Entladebe-trieb von 123,2 Wh L-1 mit einer Energieeffizienz von 64,2 % erzielt werden. Dieser Elektrolyt erziel-te in gleicher Zelle nahezu eine ähnliche Performance wie BCA-freie Elektrolyte (179,6 Ah L-1/131,8 kWh L-1/Effizienz 65,9 %), wird jedoch durch den Einsatz von BCA wesentlich sicherer in der H2/Br2-RFB betrieben.
Abstract (englisch):
In the present dissertation, safe high-energy electrolytes based on hydrobromic acid (HBr) and bro-mine (Br2) have been developed for the first time for application in hydrogen-bromine redox flow batteries (H2/Br2-RFB) with a practically usable electrolyte capacity of 179.6 Ah L-1. Its high capacity has been enabled by the very high solubility of Br2 in HBr solutions in the form of polybromides (Br3-, Br5-, Br7-), which defines the concentration-based state of charge (SoC) of the electrolyte: SoC = 0 % with c(HBr) = 7.7 M and SoC = 100 % with c(HBr) = 1 M and c(Br2) = 3.35 M. ... mehrThis definition results from the limitations of the solubility of Br2 in the electrolyte, as well as the conductivity of the elec-trolyte and the Nafion™ membrane in the cell. For the first time, this study enables to determine the fractions of Br2 bound in different polybromides in liquid electrolyte phases by means of Raman spec-troscopy. From polybromide concentrations determined in HBr-electrolytes, it was proven in this work that the polybromide equilibria known in the literature for Br3- and Br5- are not valid at high HBr/Br--concentrations.
Br2 has a high vapour pressure in these electrolytes, is harmful to health, corrosive to cell materials, and crosses the membrane into the negative hydrogen half cell. These drawbacks are reduced by us-ing bromine complexing agents (BCA) in the electrolyte. Due to the lack of solubility of [BCA]+ cat-ions and polybromide anions in aqueous solution, a second liquid phase, a heavy fused salt, is formed. For the first time, a BCA has been selected from 38 different [BCA]+ cations to be suitable for application in the cell based on its influence on the electrolyte properties: 1-ethyl-pyridin-1-ium bromide [C2Py]Br. [C2Py]Br (1.11 M) is soluble in the electrolyte, forms a stable liquid fused salt throughout the entire SoC range, binds Br2 sufficiently (89 mol%) but moderately (c(Br2,aq) ≤ 0,26 M) to obtain safe electrolytes, which nevertheless continue to provide a sufficient amount of Br2 for the discharge reaction during the discharge process.
Large organic [BCA]+ cations are not soluble in HBr solutions. Symmetrical [BCA]+ cations with small methyl and ethyl substituents form crystals instead of a liquid fused salt, and BCAs with long alkyl substituents such as n-butyl or n-hexyl bind Br2 too strongly (> 95 mol%), preventing them from being considered for application. For the first time and systematically, Br2 concentrations, [BCA]+ concentrations in electrolytes, redox potentials and conductivity of the electrolytes, stability of the fused salt and their dependence on the electrolyte composition for each SoC, the BCA mole-cule structure and the side chains of the BCAs have been investigated in detail in the work.
Despite high Br2 concentrations in the fused salts up to 13.6 M Br2, its application in H2/Br2-RFB is not feasible due to its low conductivity and simultaneously high viscosity compared to aqueous elec-trolyte solutions. For the first time, it was demonstrated that the fused salts consist only of [BCA]+ cations and polybromide anions Br2n+1- and are anhydrous, as well as free of elemental Br2. The con-ductivity of the fused salt is based on a hopping mechanism, which is proposed and discussed.
In operation, [BCA]+ cations dissolved in the aqueous phase limit the performance of the H2/Br2 RFB enormously at first. During the charging process, [C2Py]+ cations in the cell form a low conductive fused salt in the electrode felt with freshly formed polybromides (reversible). At the same time, the positively charged [C2Py]+ cations interact with negatively charged sulfonate groups of the Nafion™ 117 membrane and displace water from the membrane due to their hydrophobic character (irreversi-ble). Membrane conductivity and electrolyte conductivity both decrease and strong overvoltages oc-cur. Although the electrolyte becomes safer, the use of BCAs leads to a reduction in cell performance at first and only 30 % (53.9 Ah L-1) of the targeted capacity (179.6 Ah L-1) can be practically used. Long-term tests show that the transfer of water and Br2 from the bromine half cell to the hydrogen half cell intensifies both adverse effects. The concentration of [C2Py]+ cations in aqueous electrolytes needs to be reduced.
By selectively modifying the BCA-polybromide solubility equilibrium, up to 96 mol% of the [C2Py]+ cations have been transferred into the fused salt throughout the SoC operating range. An excess of Br2 in the molar ratio between Br2 and [BCA]Br of ≥ 2.4 leads to a shift of the equilibrium in favour of the storage of [BCA]+ cations in the fused salt. Although this increases the Br2 concentrations in the aqueous solution, still 74 mol% Br2 remain stored in the fused salt. By strongly reducing the [BCA]+ concentration in aqueous solution, the adverse effects in the bromine half cell are largely prevented. The cycling behaviour can be regarded as equivalent to that of BCA-free electrolytes in the entire SoC range. Thus, for the first time ever, a practically usable capacity of 179.6 Ah L-1 is achieved while using BCA-electrolytes in the H2/Br2-RFB.
Without [C2Py]+ cations in the aqueous phase, the transfer of Br2 into the fused salt should be lim-ited. However, a novel absorption mechanism between the aqueous phase and the fused salt has been identified for the first time, in which only Br2 is transferred between the polybromides on both sides of the phase interface. The safe storage of Br2 in the fused salt is still guaranteed.
Due to the low investment cost of about 57 EUR kWh-1, even for modified electrolytes with [C2Py]Br, the electrolyte developed in this work is obviously competitive with the electrolyte costs of other systems (vanadium-RFB ≈ 241 EUR kWh-1 or higher).
By using BCAs, a low-cost, novel and safe high-energy electrolyte based on Br2/HBr for H2/Br2-RFB has been developed in this work. Using this electrolyte, a practical utilizable capacity of 179.6 Ah L-1 and an energy density in discharge operation of 123.2 Wh L-1 with an energy efficiency of 64.2 % have been achieved. This electrolyte reached almost similar performance compared to BCA-free elec-trolytes (179.6 Ah L-1/131.8 kWh L-1/efficiency 65.9 %) in the same cell, but is much safer in H2/Br2-RFB operation due to the use of BCA.