Abstract:
Die Notwendigkeit, dem Klimawandel entgegenzuwirken und Emissionen zu reduzieren, sowie die zunehmende Urbanisierung, die zu immer stärker belasteten Städten führt, unterstreichen die Dringlichkeit nachhaltiger Mobilitätslösungen die helfen den städtischen Verkehr sauberer, effizienter und zugänglicher zu gestalten. Flotten aus gemeinsam genutzten, autonomen Elektrofahrzeugen (SAEVs), die als Ergänzung zum öffentlichen Verkehr eingesetzt werden, wird das Potenzial zugeschrieben, den städtischen Verkehr zu entlasten und Emissionen zu senken. Die Einführung solcher innovativer Mobilitätslösungen bringt jedoch entscheidende technische Herausforderungen für die Fahrzeugentwicklung mit sich, insbesondere aus der Sicht von Automobilzulieferern.
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Es wird erwartet, dass SAEVs im Vergleich zu privat genutzten, menschlich gesteuerten Fahrzeugen signifikant abweichende Fahrmuster und Lastprofile aufweisen. Daher ist eine Neubewertung von Fahrzeugkomponenten wie dem Antriebsstrang und dem Thermomanagementsystem notwendig, da deren Auslegung stark von den Betriebsbedingungen abhängig ist. Aus diesem Grund wird die Entwicklung präziser SAEV-Fahrzyklen als essenziell für das Anforderungsmanagement in der Fahrzeugentwicklung angesehen. Solche Fahrzyklen müssen nicht nur wesentliche Fahrdynamiken und Fahrzeugzustände (wie Stillstand, Laden und Fahrgastbesetzung) erfassen, sondern auch die Auswirkungen unterschiedlicher Preismodelle auf das Mobilitätsverhalten, die Reichweite von Elektrofahrzeugen und Ladebeschränkungen sowie diverse Flottenstrategien im Bereich des Routings und der Einsatzplanung berücksichtigen.
Da reale Daten für diese neuartigen Konzepte nur eingeschränkt verfügbar sind, wird eine mehrstufige Verkehrssimulation eingesetzt, um SAEV-Fahrprofile zu generieren, die den Bedürfnissen der Automobilentwicklung entsprechen. Durch die Integration von Verkehrsmodellierungsansätzen unterschiedlicher Granularität wird eine Balance zwischen Rechenaufwand und Modellgenauigkeit erreicht -- großflächige Netzwerke werden durch vereinfachte Modelle abgebildet, während detailliertere Modelle in spezifischen Bereichen Anwendung finden. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es dabei eine automatisierte Toolchain zu entwickeln, die die Herausforderungen mehrstufiger Verkehrssimulationen effektiv bewältigt und somit für großflächige Anwendungen geeignet ist.
Der zentrale Beitrag der Arbeit liegt in der erfolgreichen Integration des mesoskopischen Verkehrsplanungswerkzeugs MATSim mit dem mikroskopischen Verkehrssimulationswerkzeug SUMO, wobei erhebliche Herausforderungen aufgrund grundlegender Unterschiede in der Netzdarstellung und Verkehrsdynamik überwunden wurden. Durch die Berücksichtigung spezifischer Merkmale des fahrzeugzentrierten Anwendungsfalls wurde ein neuartiger, sequenzieller Kopplungsansatz entwickelt, der einen nahtlosen Übergang zwischen den beiden Simulationsframeworks ermöglicht. Die wesentlichen Innovationen bestehen aus:
- Automatisierten Methoden zur Erstellung mikroskopischer SUMO-Modelle auf Basis von mesoskopischen MATSim-Simulationen. Dies umfasst eine robuste, graphenbasierte Netzwerk-Matching-Routine zur Übersetzung mesoskopischer Netzwerkelemente in mikroskopische Gegenstücke sowie eine neuartige Technik zur Disaggregation der in MATSim gesampelten Verkehrsnachfrage in das höher aufgelöste mikroskopische Modell über dynamische Meso-Mikro-Netzwerkgrenzen hinweg. Stochastische Methoden werden eingesetzt, um den Rechenaufwand in SUMO zu reduzieren und gleichzeitig die Repräsentativität der Fahrzeugflotte zu gewährleisten.
- Einem innovativen, von der Fragestellunge der Automobilindustrie inspirierten Kalibrierungsansatz, der einen genetischen Algorithmus nutzt, um die Verkehrszustände von SUMO mit denen einer kalibrierten MATSim-Simulation abzugleichen. Dabei wird der Schwerpunkt auf die Konsistenz von Reisezeiten anstelle von Verkehrsaufkommen gelegt, wie es in herkömmlichen Ansätzen üblich ist. Diese Wahl des Kalibrierungsziels beruht auf Erkenntnissen aus zahlreichen analytischen und numerischen Experimenten, die signifikante Diskrepanzen in der Verkehrsdynamik und Netzkapazität zwischen MATSim und SUMO aufzeigten. Daher wird der Fokus auf die Kalibrierung der Verkehrsleistung durch Anpassung verschiedener Nachfrage-, Routing- und Engpassbewältigungsmaßnahmen gelegt.
Die resultierende Toolchain ist robust und effizient, selbst in Szenarien mit unvollständigen mikroskopischen Netzwerken. Im Gegensatz zu vielen großflächigen mikroskopischen Verkehrssimulationen, die umfangreiche Netzbereinigungen und Nachfragesynthesen erfordern, umgeht unser Ansatz diese Herausforderungen indem er für die mikroskopische Simulation die weniger strengen Anforderungen mesoskopischer Modelle zu Grunde legt. Darüber hinaus wird ein ergänzender, datengetriebener Ansatz zur Ableitung von SAEV-Fahrzyklen vorgestellt. Dieser Ansatz verfeinert mesoskopische Geschwindigkeitsprofile mit realen Fahrdaten und bietet eine pragmatische Alternative zur Gewinnung detaillierter Fahrdynamiken ohne den Einsatz mikroskopischer Simulationen. Die Umsetzbarkeit der Toolchain wird in einer Fallstudie zur Antriebsstrangauslegung demonstriert, wobei die spezifischen Anforderungen von SAEV-Flotten im Vergleich zu privat genutzten Fahrzeugen aufgezeigt werden.
Insgesamt werden praxisorientierte und fortschrittliche Methoden zur Generierung von SAEV-Fahrprofilen entwickelt, die die Forschung im Bereich mehrstufiger Verkehrssimulationen vorantreiben und neue Möglichkeiten für Automobilzulieferer schaffen, sich an die sich verändernden Mobilitätslandschaften anzupassen. Die Arbeit unterstützt die Automobilindustrie nicht nur bei der Entwicklung zukünftiger Fahrzeugsysteme, sondern eröffnet auch die Möglichkeit neue Geschäftsmodelle im SAEV-Umfeld zu explorieren.
Abstract (englisch):
The need to tackle climate change and reduce emissions, along with rapid urbanization resulting in increasingly congested cities, highlights the urgency for sustainable mobility solutions to make urban transport cleaner, more efficient, and accessible. Shared, autonomous electric vehicle (SAEV) fleets, when used to complement public transport, have the potential to alleviate urban traffic and reduce emissions. However, the adoption of such innovative mobility solutions raises critical technical questions for vehicle design, particularly from the perspective of automotive suppliers.
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SAEVs are expected to have significantly different driving patterns and load profiles compared to privately owned, human-driven cars, necessitating a reevaluation of vehicle components such as the powertrain and thermal management system, which are highly sensitive to operating conditions. Consequently, accurate SAEV driving cycles are essential for automotive requirement engineering. In addition to capturing key driving dynamics and vehicle states (e.g., idling, charging, and occupied), these driving cycles must also consider the effects of different pricing schemes on travel behavior, electric vehicle (EV) range and charging constraints, as well as diverse fleet routing and dispatching strategies.
Given the limitations of real-world data for these novel concepts, we utilize multi-level traffic simulation to generate SAEV driving profiles tailored to automotive engineering needs. By integrating traffic modeling frameworks of varying granularity, we achieve a balance between computational efficiency and modeling precision -- representing large-scale network flows with simplified models while applying more detailed models to specific areas. Our goal is to develop an automated toolchain and demonstrate its large-scale applicability, effectively addressing the persistent challenges associated with multi-level simulation in transport research.
The central contribution of our work is the successful integration of the mesoscopic transport planning framework MATSim with the microscopic traffic simulation tool SUMO, overcoming substantial challenges arising from their fundamental differences in network representation and traffic dynamics. By leveraging specific characteristics of the vehicle-centric use case, we develop a novel sequential tool-coupling approach that enables a seamless transition between the two simulation frameworks. The key innovations include:
- Automated methods for building and populating microscopic SUMO models from mesoscopic MATSim simulations. This includes a robust graph-based network matching routine to translate mesoscopic network elements into their microscopic counterparts and a novel technique to disaggregate MATSim’s sampled travel demand into the higher-resolution microscopic domain across dynamic meso-micro network borders. We apply stochastic methods to reduce computational load in SUMO while maintaining the representativeness of a vehicle fleet.
- An innovative, automotive-inspired calibration approach that employs a genetic algorithm to align SUMO's traffic states with those observed in a calibrated MATSim simulation, prioritizing the consistency of travel times over traffic counts as in traditional approaches. This distinctive choice of objective is grounded in our findings from numerous analytical and numerical experiments, which revealed significant discrepancies in traffic dynamics and network capacity between MATSim and SUMO. As a result, we focused on calibrating traffic performance by adjusting various demand, routing, and bottleneck mitigating measures.
The resulting toolchain is robust and efficient, even in scenarios with imperfect microscopic networks. Unlike many large-scale microscopic traffic simulations that require extensive network cleaning and demand synthesis, our method reduces these challenges by subjecting the microscopic modeling effort to the less stringent requirements of mesoscopic models. Additionally, we introduce a complementary data-driven approach to derive SAEV drive cycles. This method refines mesoscopic speed profiles with real-world driving data, providing a pragmatic (though less sensitive) alternative for obtaining detailed driving dynamics without requiring microscopic simulations. We demonstrate the toolchain's feasibility in a case study on power engine design, highlighting the distinct requirements of SAEV fleets compared to privately owned cars.
Overall, we offer both practical and advanced methodologies for generating SAEV driving profiles, advancing research on multi-level traffic simulation and creating new opportunities for automotive suppliers to adapt to changing mobility landscapes. Our work not only supports the automotive industry in designing future vehicle systems but also paves the way for exploring new business opportunities in SAEV environments.