Abstract:
Die Entwicklung humanoider Roboter stellt eine komplexe, herausfordernde und zeitaufwändige Aufgabe dar und trotz Fortschritten in der Antriebs- und Sensortechnologie bleibt die Entwicklung humanoider Roboter, die in Bezug auf Kraft und Beweglichkeit menschenähnliche Eigenschaften aufweisen, eine große Herausforderung.
Ziel dieser Arbeit ist daher die Entwicklung von Hilfsmitteln und mechanischen sowie kinematischen Lösungen für die Konstruktion humanoider Roboter. Dafür ist diese Arbeit in drei aufeinander aufbauende Arbeitsbereiche unterteilt.
Der erste Kernbeitrag dieser Arbeit befasst sich mit der Gewinnung von genauen Kenntnissen über die Antriebsanforderungen in Bezug auf Geschwindigkeiten, Beschleunigungen und Drehmomente für humanoide Roboter, die die menschliche Bewegungsdynamik nachahmen sollen. ... mehrIm zweiten Teil der Arbeit wird ein Linearantrieb mit zwei Untersetzungsstufen für Kraft-Geschwindigkeits-Kennlinien entwickelt, die denen der menschlichen Muskeln ähneln. Der dritte Kernbeitrag beschreibt verschiedene mechanische Implementierungen von Quaternion-Gelenken und stellt eine neuartige kinematische Anordnung für ein humanoides Armsystem mit diesen Gelenken vor. Diese Kernbeiträge werden im Folgenden genauer beschrieben.
System für die Konstruktion humanoider Roboter
Der erste Beitrag und Schwerpunkt dieser Arbeit liegt auf der Entwicklung eines Systems für den Entwurf von humanoiden Roboterarmen mit menschenähnlicher Leistung, wobei der Fokus auf den Anforderungen der Kinematik und der Aktuation liegt.
Zuerst werden verschiedene kinematische Anordnungen auf der Grundlage einer Reihe von Bewegungen, die der Roboter ausführen können soll, bewertet. Die Roboterkinematik wird durch die Auswahl der verschiedenen Gelenkmechanismen sowie deren Anordnung, Position und Orientierung definiert. Die Ergebnisse, die als Normalized Actuation Requirements dargestellt werden, dienen als Input für die nachfolgende Auswahl der Kinematik und der Aktoren.
Die Berechnung der Anforderungen erfolgt an normalisierten Robotermodellen während der Ausführung normalisierter menschlicher Bewegungen aus der KIT-Ganzkörperbewegungsdatenbank. Die durch Modellgesetze geleitete Normalisierung ermöglicht die Berechnung der Dynamik für einen einheitlichen Vergleich kinematischer Entwürfe und deren Übertragung auf Roboter beliebiger Größe und Gewicht ohne Neuberechnung. Die entscheidende Übertragung von normalisierter menschlicher Bewegung auf normalisierte Roboterkinematiken wird durch die Anwendung eines virtuellen Feder-Dämpfer-Systems realisiert. Die optimale Wahl der Kinematik führt zu minimalen Leistungsanforderungen an die Aktoren.
In der anschließenden Phase werden die normierten Anforderungen auf die tatsächlichen Anforderungen skaliert, die auf der Größe, dem Gewicht und der Nutzlast des gewünschten Roboters basieren. Dabei werden die Aktortypen, deren Eigenschaften und Positionen ausgewählt, die wiederum das Gesamtgewicht des Roboters beeinflussen.
Das entwickelte System bewertet die Anforderungen anhand der Leistungsmerkmale der ausgewählten Komponenten. Da einige Eigenschaften innerhalb einer Konstruktion bekannten Beziehungen folgen, kann das lokale Optimum berechnet werden. Nach Anpassung des Entwurfs an die verfügbaren Komponenten und deren Platzbedarf können die Eigenschaften des endgültigen Entwurfs in der Simulation überprüft werden.
Erreichen von Drehmoment-Geschwindigkeits-Profilen menschlicher Muskeln: Der adaptive zykloidische Linearantrieb
Die Erkenntnisse aus den bisherigen Erfahrungen bei der Entwicklung humanoider Roboter und die ersten Ergebnisse aus dem ersten Teil dieser Arbeit unterstreichen eine große Herausforderung: die Beschränkungen bestehender Aktoren in Bezug auf ihre interne Trägheit und das Zusammenspiel von Größe, Gewicht, Kraft und Geschwindigkeit. Daher wird im zweiten Teil der Arbeit ein lineares Getriebe für Kraft-Geschwindigkeits-Kennlinien entwickelt, die denen der menschlichen Muskeln ähneln. Dieser adaptive Zykloid-Linearantrieb wird auch als Aktoroption in das Gesamtsystem integriert. Zunächst werden die Fähigkeiten der menschlichen Muskulatur mit den Eigenschaften der bestehenden mechanischen Systeme verglichen. Besonders wichtig ist, dass die maximale Leistung muskeltypischer Drehmoment-Geschwindigkeits-Profile bei gleichem Arbeitsbereich deutlich geringer ist als die von Antrieben mit festem Übersetzungsverhältnis.
Die vorgeschlagene Lösung sieht ein neuartiges Getriebe vor, das aus zwei verschiedenen Motoren besteht, die jeweils unterschiedliche Übersetzungsverhältnisse antreiben und mit einem automatisch schaltbaren Getriebemechanismus gekoppelt sind. Diese Anordnung erzeugt ein aus zwei Segmenten bestehendes Drehzahl-Kraft-Profil. Sowohl die Motoren als auch die Getriebe arbeiten in diesem Aufbau mit deutlich reduzierten mechanischen Spitzenleistungen. Dies ermöglicht den Einsatz wesentlich kleinerer Komponenten.
Durch die kombinierte Betätigung beider Antriebe ergibt sich ein variables Übersetzungsverhältnis, das einen Betriebsbereich abdeckt, der von schnellen Bewegungen mit geringer Kraft bis zu langsamen Bewegungen mit hoher Kraft reicht. Damit wird der Arbeitsbereich eines Elektromotors mit fester Übersetzung deutlich übertroffen.
Neuartige Gelenkmechanismen und Kinematiken für humanoide Roboter
Der dritte Beitrag befasst sich mit neuartigen Gelenkmechanismen und Kinematiken für humanoide Roboter.
Die meisten humanoiden Roboterarme bestehen aus einer Reihe von Drehgelenken. Wenn diese Drehgelenke direkt angetrieben werden, führt dies zu einem hohen Maß an Trägheit innerhalb des Armsystems. Bei einer entfernten Platzierung der Aktoren hingegen stellt sich das Problem der Kraftübertragung und Kabeldurchführung. Zudem sind Kinematiken mit seriellen Drehgelenken anfällig für Singularitäten, die höhere Antriebsanforderungen verursachen und die Steuerbarkeit einschränken.
Um diesen Herausforderungen zu begegnen, bietet der Einsatz von Rollkontaktgelenkmechanismen
mit zwei Freiheitsgraden, auch Quaternionengelenke genannt, mehrere Vorteile. Dazu gehören ein großer Bereich von singularitätsfreien Bewegungen und ein freies Gelenkzentrum. Daher werden im dritten Abschnitt dieser Arbeit verschiedene mechanische Implementierungen dieser Quaternionengelenke untersucht und eine neuartige kinematische Anordnung für ein humanoides Armsystem vorgestellt. Dieses Design beinhaltet Quaternionengelenke in der Schulter, dem Ellbogen und dem Handgelenk. Die vorgeschlagene Kinematik zeigt verbesserte Eigenschaften hinsichtlich der Anforderungen an die Antriebstechnik. Die mechanische Umsetzung ist kompakt sowie leicht und vereinfacht die Durchführung von Kabeln und Seilzügen durch den Arm. Diese Art der Gelenkmechanik wird in das zuvor beschriebene Konstruktionssystem integriert. Ein Konzept einschließlich mechanischer Details für einen humanoiden Roboterarm mit der vorgeschlagenen Kinematik und Aktorik wird entwickelt und demonstriert die Machbarkeit des Ansatzes.
Abstract (englisch):
The development of humanoid robots is a complex, challenging, and time-consuming task. Despite advances in actuation and sensor technology, designing humanoid robots with human-like strength and agility remains a significant challenge.
The goal of this work is to develop tools and mechanical as well as kinematic solutions for the design of humanoid robots. To achieve this, the research is structured into three interrelated areas.
The first key contribution focuses on gaining precise knowledge of the actuation requirements in terms of speed, acceleration, and torque for humanoid robots that aim to replicate human motion dynamics. ... mehrThe second part of this work presents the development of a linear actuator with two reduction stages, designed to achieve force-speed characteristics similar to those of human muscles. The third contribution introduces various mechanical implementations of quaternion joints and proposes a novel kinematic arrangement for a humanoid arm system incorporating these joints. These contributions are described in detail below.
System for the Design of Humanoid Robots
The first major contribution of this work is the development of a system for designing humanoid robot arms with human-like performance, with a particular focus on kinematics and actuation.
In the first phase, different kinematic arrangements are evaluated based on a predefined set of motions that the robot should be able to perform. Robot kinematics are defined by the selection of various joint mechanisms, their arrangement, positioning, and orientation. The results, presented as Normalized Actuation Requirements, serve as input for the subsequent kinematics and actuator selection.
The requirements are computed using normalized robot models executing normalized human motions from the KIT whole-body motion database. A model-law-driven normalization enables the computation of dynamic parameters for a unified comparison of different kinematic designs and facilitates their adaptation to robots of any size and weight without the need for recalculations. The crucial step of transferring normalized human motion to normalized robot kinematics is achieved using a virtual spring-damper system. The optimal kinematic selection minimizes the performance requirements for the actuators.
In the subsequent Actuation phase, the normalized requirements are scaled to actual requirements based on the size, weight, and payload of the intended robot. This includes selecting the actuator types, their properties, and their positions, which in turn influence the overall weight of the robot.
The developed system evaluates the requirements against the performance characteristics of the selected components. Since certain properties follow known relationships within a design, a local optimum can be computed. The properties of the final design can be checked in the simulation.
Reaching Torque-Velocity Profiles of Human Muscles: The Adaptive Cycloidal Linear Drive
Insights from previous humanoid robot designs, along with findings from the first part of this work, highlight a significant challenge: the limitations of existing actuators regarding internal inertia and the trade-off between size, weight, force, and speed.
Therefore, the second part of this work introduces a novel linear drive designed to achieve force-speed characteristics similar to those of human muscles. This Adaptive Cycloidal
Linear Drive is also integrated as an actuator option within the overall system.
Initially, the capabilities of human muscles are compared to those of existing mechanical systems. A key finding is that the peak power of muscle-like torque velocity profiles is considerably lower than that of drives with a fixed transmission ratio within the same operating range.
The proposed solution features an innovative gearbox composed of two separate motors, each driving different transmission ratios and coupled via an automatically switchable gearbox. This configuration generates a two-segment velocity-force profile. Motors and gearboxes operate at significantly reduced maximum mechanical power, allowing the use of much smaller components.
By combining both actuators, a variable transmission ratio is achieved, covering an operating range from fast, low-force to slow, high-force movements. This significantly outperforms conventional electric motors with a fixed transmission ratio.
Quaternion Joint based Kinematic Design for Humanoid Arms
The third key contribution of this work explores novel joint mechanisms and kinematic configurations for humanoid robots.
Most humanoid robot arms consist of a series of rotary joints. When these joints are directly actuated, the resulting system exhibits high inertia. Conversely, placing actuators remotely introduces challenges in force transmission and cable routing. Additionally, serial kinematic chains with consecutive rotary joints are prone to singularities, resulting in increased actuation demands and reduced controllability.
To address these challenges, this work investigates the use of rolling contact joint mechanism with two degrees of freedom, commonly referred to as Quaternion Joints. These joints offer several advantages, including a large singularity-free range of motion and a free joint center. The third part of this research presents different mechanical implementations of these quaternion joints and introduces a novel kinematic arrangement for a humanoid arm system.
The proposed design incorporates quaternion joints in the shoulder, elbow, and wrist, offering improved characteristics in terms of actuation requirements. The mechanical implementation is compact and lightweight, facilitating efficient cable routing and tendon-driven actuation through the arm. This joint mechanism is integrated into the previously developed design system. A full concept, including mechanical details for a humanoid robot arm featuring the proposed kinematic and actuation system, has been developed, demonstrating the feasibility of this approach.