Abstract:
Mit der zunehmenden Digitalisierung und Automatisierung des Schienenverkehrs ist die Kenntnis der Geschwindigkeit und der gleisselektiven Position der Schienenfahrzeuge grundlegend, um einen reibungsfreien und sicheren Betriebsablauf zu gewährleisten. Für einen vollständig autonomen Betriebsablauf sind insbesondere Verfahren erforderlich, die auf dem Schienenfahrzeug zum Einsatz kommen und dadurch kostenintensive Modernisierungen der streckenseitigen Infrastruktur umgehen. Für eine gleisselektive Positionsbestimmung des Schienenfahrzeugs reichen Genauigkeit und Verfügbarkeit der bisherigen fahrzeugseitigen Sensoren (Radencoder, Inertiale Messeinheit, satellitengestützte Positionierungssysteme oder optische Verfahren) nicht aus. ... mehrUnsicherheiten aufgrund von Mehrwegausbreitung, Verdeckung, geringer Verfügbarkeit, Ausfällen oder schlechte Lichtverhältnissen führen zu Mehrdeutigkeiten oder einem kompletten Verlust der Position. Schlupf zwischen Rad und Schiene oder Verschleiß des Rades führen zu fehlerhaften Geschwindigkeiten und stetig wachsenden Unsicherheiten in der zurückgelegten Wegstrecke. Insbesondere in Bereichen mit mehreren parallel zueinander verlaufenden Gleisen ist eine gleisselektive Positionsbestimmung nicht mehr möglich.
Um die Einschränkungen aktueller Sensoren zu umgehen, wird in dieser Arbeit ein neues Sensorkonzept vorgeschlagen. Basierend auf den ferromagnetischen Inhomogenitäten entlang der Gleisstrecke, die maßgeblich durch die bereits vorhandenen streckenseitigen Infrastrukturelemente, darunter die Schienen, Schienenbefestigung, Radlenker und Herzstücke, verursacht werden, entstand der Differenz-Induktivitäts-Sensor (DIS). Durch die systembedingte Bindung des Schienenfahrzeugs und die Anordnung der Bauelemente entlang der Gleisstrecke besitzt jedes Schienenelement eine einzigartige ferromagnetische Signatur.
Um daraus die Geschwindigkeit des Schienenfahrzeugs zu ermitteln, ist der DIS mit zwei Detektoren ausgestattet, die über ein elektromagnetisches Messverfahren berührungslos an zwei unterschiedlichen Positionen die ferromagnetischen Inhomogenitäten der Schienen erfassen. Aus dem zeitliche Versatz der Signaturen und dem Abstand der Detektoren ergibt sich die Geschwindigkeit des Schienenfahrzeugs.
Gleichzeitig dienen die ferromagnetischen Inhomogenitäten der Schienen als Landmarken, mit denen jeder Streckenabschnitt im Streckennetz eindeutig identifizierbar ist. Dadurch wird ein gleisselektives Verfahren bereitgestellt, um die Position des Schienenfahrzeugs zu bestimmen.
Unter kontrollierten Laborbedingungen und auf einer georeferenzierten Teststrecke wird die Erstellung der ferromagnetischen Streckenkarten, die Bestimmung der Geschwindigkeit und das Lokalisierungsverfahren unter alleiniger Verwendung des DIS evaluiert. Die Abweichung in der Geschwindigkeit und Position des DIS zu den Referenzsensoren liegt dabei in derselben Größenordnung wie die Abweichungen der beiden Referenzsensoren zueinander. Die Abweichung der Geschwindigkeit beträgt weniger als |0,5| m/s, die der Position weniger als |1,0| m, zu der Referenzsensorik. Zusätzlich liefert der DIS über die ferromagnetischen Inhomogenitäten der Schiene eine gleisselektive Position des Schienenfahrzeugs. Über ein Modell wird eine maximale Länge der ferromagnetischen Inhomogenitäten von 200 m ermittelt, die für einen eindeutigen Abgleich mit der ferromagnetischen Streckenkarte erforderlich ist.
Zusätzlich wird ein Optimierungsverfahren vorgestellt, mit dem der Abgleich auf ausgedehnten Streckenkarten beschleunigt und gleichzeitig die zu speichernde Datenmenge der ferromagnetischen Streckenkarten reduziert wird.
Mit dem vollständig autark operierenden DIS ist es nun möglich, berührungslos die Geschwindigkeit und die gleisselektive Position mit einer ferromagnetischen Streckenkarte zu ermitteln. Anhand der ferromagnetischen Inhomogenitäten ist der DIS in der Lage, die linke und rechte Schiene eines Gleissegmentes eindeutig voneinander zu trennen. Im Gegensatz zu satellitengestützten Lokalisierungsverfahren sind parallel verlaufende oder nah beieinander liegende Schienensegmente eindeutig unterscheidbar. Die Gleisselektivität ist dadurch nicht mehr durch die räumliche Nähe der Gleise beschränkt. Im Vergleich zu den bisherigen Verfahren ist mit dem DIS und den ferromagnetischen Inhomogenitäten der Schiene eine kontinuierliche und gleisselektive Position des Schienenfahrzeugs gegeben und nicht auf einzelne Abschnitte in der Nähe von Weichen oder Balisen beschränkt.
Mit einer absoluten Positionsgenauigkeit von unter einem Meter und einer Geschwindigkeitsabweichung von weniger als 0,5 m/s erfüllt der DIS die Anforderungen moderner Verkehrsmanagement- und Kontrollsysteme. Der DIS ist dadurch in der Lage, ein satellitenbasiertes Lokalisierungsverfahren zu ersetzen oder dieses über das komplementäre Messverfahren sinnvoll zu ergänzen. Mehrdeutigkeiten in der Gleisbelegung des Schienenfahrzeugs aufgrund von Unsicherheiten in der Position entfallen.
Abstract (englisch):
To ensure a smooth and safe operation in railway transport the knowledge of the velocity and a track-selective position of the railway vehicles is essential, especially due to the increase of digitalisation and automation in railway transport. For a completely autonomous operating railway vehicle, it is important to avoid costintensive modernisation of the railway track infrastructure. Instead, methods which can be used directly on the railway vehicle are necessary. The accuracy and availability of the existing on-board sensors (e. g. wheel encoders, inertial measuring unit, satellite-based positioning systems or optical methods) are not sufficient for track-selective positioning of the railway vehicle. ... mehrUncertainties due to multipath propagation, masking, availability or poor lighting conditions lead to ambiguities or even a complete loss of position. Slip between wheel and rail or wear of the wheels lead to incorrect velocitys and constantly growing uncertainties in the travelled distance. So a track selective position determination in areas with several parallel tracks is no longer possible. In order to avoid the limitations of present sensors, in this work a new sensor concept is proposed. The concept is based on the ferromagnetic inhomogeneities along the railway track, which are mainly caused by the already existing track-side infrastructure elements. For example for the rails, rail fastenings, check rails, frogs, the Difference-Inductance-Sensor (DIS) was developed. Due to the arrangement of the components along the track and the system-related binding of the railway vehicle, each rail segment has a unique ferromagnetic signature. To determine the velocity of the railway vehicle, the DIS is equipped with two detectors covering the ferromagnetic inhomogeneities of the rails by means of an electromagnetic measuring method. The velocity of the railway vehicle results from the time delay of the signatures and the distance between the detectors. At the same time, the ferromagnetic inhomogeneities of the rails serve as landmarks. Each track section in the railway network can be uniquely identified, thus providing a track-selective method for position determination. The procedure was evaluated under controlled laboratory conditions as well as on a georeferenced test track. Here, the determination of the velocity and the location procedure was tested using only the DIS.
The velocity and position deviation of the DIS to the reference sensors has the same order of magnitude as the deviation of the two reference sensors from each other. The velocity deviation is less than |0.5| m/s, that of the position less than |1.0| m to the reference sensors. In addition, the DIS and the ferromagnetic inhomogeneities of the railway provide a track-selective position of the rail vehicle. A model is used to determine the maximum length of ferromagnetic inhomogeneities of 200 m, which is required for a unique comparison with the ferromagnetic track map. An optimization procedure is presented, which improves the search on extended ferromagnetic track maps and simultaneously reduces the amount of data to be stored.
With the completely self-sufficient operating DIS, the velocity as well as the track-selective position with a ferromagnetic track map is provided. Based on the ferromagnetic inhomogeneities, the DIS is able to clearly distinguish between the left and right rail of a track segment. In contrast to satellite-based localization methods, parallel or closely spaced rail segments can be clearly distinguished from each other by means of the ferromagnetic signature. This means that track selectivity is no longer limited by the spatial proximity of the tracks. Compared to the previous methods, the DIS and the ferromagnetic inhomogeneities of the railway track ensure a continuous and track-selective position determination of the railway vehicle, which are not restricted to individual sections in the vicinity of switches or balises. With an absolute position accuracy of less than 1.0 m and a velocity deviation of less than 0.5 m/s, the DIS meets the requirements of modern traffic management and control systems. The DIS is thus able to replace a satellite-based localization method or to complement it by the complementary measurement method. Ambiguities in the track occupancy of the railway vehicle, due to uncertainties in the position, are omitted.