Abstract:
Fußball stößt auf großes Interesse bei Zuschauern und Medien und ist deshalb eines der fesselndsten und einflussreichsten kulturellen Phänomene unserer Zeit. Gleichermaßen hat der Profifußball in der jüngsten Vergangenheit auch wissenschaftliches Interesse geweckt. Durch die Systematisierung der Datenerhebung im professionellen Fußball, konnte die Quantität an verfügbaren Daten in den zurückliegenden Jahren erheblich gesteigert werden. Aufgrund dieser Entwicklung konnte die Spielleistung im professionellen Fußball in verschiedenen Aspekten besser quantifiziert werden und dadurch tiefere Einblicke in die Leistungsstruktur ermöglicht werden.
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Bei der Beschreibung der Spielleistung im professionellen Fußball fällt auf, dass diese Leistung von einer Vielfalt an kontextuellen Faktoren beeinflusst wird. Beispiele für derartige kontextuelle Faktoren sind der aktuelle Spielstand oder die Qualität des Gegners. Darüber hinaus beeinflussen auch taktische Faktoren die Spielleistung. Zu diesen taktischen Faktoren gehören beispielsweise die Position eines Spielers oder die taktische Formation einer Mannschaft. Studien, die die Position oder die Formation untersuchen, weisen bereits darauf hin, dass taktische Faktoren die Spielleistung beeinflussen. Allerdings deckt der aktuelle Forschungsstand nicht alle relevanten Fragestellungen zum Einfluss von taktischen Faktoren auf die Spielleistung ab. Bei den noch nicht ausreichend erforschten Fragestellungen geht es beispielsweise um Wechsel der taktischen Formation während des Spiels oder das Ausmaß des Einflusses taktischer Faktoren auf die Spielleistung. Deshalb besteht das Ziel der vorliegenden Arbeit in der taktischen Kontextualisierung der Spielleistung im professionellen Fußball anhand der Deutschen Bundesliga.
Um einen Überblick über die Fülle an Faktoren zu erhalten, die die Spielleistung beeinflussen, wurde ein Modell zur individuellen komplexen Spielleistung im professionellen Fußball entwickelt. Dieses Modell umfasst die Komponenten der Spielleistung (z. B. physisch, technisch, taktisch-kognitiv und psychologisch) und die Faktoren, die die Spielleistung beeinflussen (z. B. Organismus [Interne Faktoren] und Umwelt [Externe Faktoren]). Auf Basis dieses Modellansatzes wurden Fragestellungen und Hypothesen abgeleitet, die in den Papern I bis VI bearbeitet wurden. Zunächst wurde ein systematisches Review erstellt (Paper I), welches die bestehende Literatur zum Einfluss von taktischen Formationen auf die Spielleistung im Fußball zusammenfasst. Darauf aufbauend wurden drei wesentliche
Forschungslücken identifiziert (Identified Research Gaps I bis III), die durch fünf VII
Originalstudien (Paper II bis VI) adressiert wurden. Alle originalen Studien wurden mit Daten aus der Deutschen Fußball-Bundesliga durchgeführt. Die Spielleistung wurde dabei hauptsächlich in technischen (z.B. Anzahl der Pässe) und physischen (z.B. Sprintdistanz) Aspekten untersucht. Darüber hinaus wurden ebenfalls mit Erfolg verknüpfte Variablen untersucht (z.B. Tore). Die taktische Kontextualisierung wurde durch vielfältige taktische Faktoren wie Spielposition (z.B. Innenverteidiger), taktische Formation (z.B. 3-5-2) und offensiver Spielstil (z.B. Ballbesitzstil) umgesetzt.
Die Ergebnisse des systematischen Reviews (Paper I) zeigten, dass die taktische Formation die Spielleistung im Fußball beeinflusst. Auf Teamebene legten die Ergebnisse nahe, dass die physische Spielleistung in Formationen mit Viererkette (z.B. 4-4-2) niedriger ist, als in Formationen mit Dreierkette (z.B. 3-5-2). Auf individueller Ebene zeigte sich, dass die physische Spielleistung aller Positionen in ähnlichem Ausmaß von der taktischen Formation beeinflusst wird. Weiterführend wurden methodische Aspekte in der bestehenden Literatur identifiziert, die in der Folge Beachtung finden sollen. Zum einen wurden Formationswechsel, die während des Spiels stattfanden, nicht berücksichtigt. Diesen Aspekt untersuchen die Originalstudien in Identified Research Gap I – In-game Formation Changes. Zum anderen nutzten die im systematischen Review inkludierten Studien nur kleine Stichproben (d.h. 16 bis 61 Spiele) und unterschieden zumeist nur zwei oder drei taktische Formationen. Diesem Thema widmen sich die Originalstudien in Identified Research Gap II – Influence of Formation/Individual. Abschließend wurde durch Ergebnisse des systematischen Reviews der Einfluss von taktischen Faktoren auf die Spielleistung im Fußball untermauert. Auf dieser Basis untersucht die Originalstudie in Identified Research Gap III – Influence of Playing Style einen weiteren taktischen Faktor, namentlich den offensiven Spielstil, auf dessen Einfluss auf die Spielleistung.
Die Untersuchungen in Identified Research Gap I – In-game Formation Changes (Paper II und Paper III) konnten zeigen, dass in 30-43% der untersuchten Spiele ein Formationswechsel während des Spiels stattfand. Dabei wurden die meisten Formationswechsel in der zweiten Halbzeit beobachtet (85-95%). Darüber hinaus unterschieden sich die Situationen, in denen ein Formationswechsel während des Spiels stattfand, je nach Trainer.
Die Studien in Identified Research Gap II – Influence of Formation/Individual (Paper IV und Paper V) identifizierten große Unterschiede in der Spielleistung zwischen verschiedenen taktischen Formationen für Innenverteidiger, Außenverteidiger und äußere Mittelfeldspieler.
Beispielsweise waren Außen- und Innenverteidiger in Formationen in einer Dreierkette (z.B. 3-4-3 oder 3-5-2) körperlich stärker gefordert als in anderen Formationen (z.B. Sprintdistanz). Die Unterschiede in der Spielleistung zwischen Formationen waren dagegen für zentrale Mittelfeldspieler und Stürmer geringer. Zusätzlich wurden große interindividuelle Unterschiede hinsichtlich der Art und Weise, wie die taktischen Faktoren Formation und Position die individuelle Spielleistung beeinflusste, beobachtet.
Zuletzt konnte die Studie in Identified Research Gap III – Influence of Playing Style (Paper VI) zeigen, dass der offensive Spielstil (d.h. Ballbesitz- oder Konterstil) die technische und physische Spielleistung deutlich beeinflusst. Beispielsweise spielten Mannschaften, die einen Ballbesitzstil akzentuieren (d.h. im Vergleich zu Mannschaften, die einen Konterstil spielen), mehr horizontale Pässe und weisen eine bessere Passquote auf. Mit Erfolg verknüpfte Variablen (z.B. Tore) wurden dahingegen nur zu einem geringen Ausmaß vom offensiven Spielstil beeinflusst.
Zusammenfassend heben die Ergebnisse der in dieser Thesis inkludierten Studien hervor, dass taktische Faktoren (z.B. Position, Formation, Spielstil) die Spielleistung im professionellen Fußball erheblich beeinflussen. Demnach ist die Berücksichtigung von taktischen Faktoren bei der Beschreibung und Bewertung von Spielleistungen bedeutsam. Darüber hinaus konnten die inkludierten Studien auch für zukünftige Forschung wichtige Informationen generieren (z.B. Berücksichtigungen von Formationswechseln während des Spiels). Mit der Implementierung der neu generierten Informationen können zukünftige Studien Forschungsergebnisse hervorbringen, die belastbarer und vergleichbarer sind und dadurch zu wichtigem wissenschaftlichem Fortschritt beitragen können. Abschließend liefert diese Thesis wichtige Informationen für Wissenschaftler und Praktiker, die zu einem differenzierteren Blick auf die Spielleistung im professionellen Fußball führen. Es sollte dennoch berücksichtigt werden, dass die Spielleistung im Fußball sehr komplex ist und es, durch die Vielzahl an unterschiedlichen Einflussfaktoren, kaum möglich ist diese in vollem Umfang zu erklären. Diese Thesis soll deshalb ein Baustein der Forschungsarbeit sein, die das Ziel verfolgt die Spielleistung zu einem größtmöglichen Anteil erklären zu können.
Abstract (englisch):
Soccer generates great interest from spectators and the media, cementing its place as one of the most riveting and influential cultural phenomena of our time. Similarly, professional soccer has also generated scientific interest in the recent past. Through the systematization of data collection in professional soccer, the quantity of available data has increased considerably in recent years. This development has led to a better quantification of the individual aspects of performance and thus to deeper insights into the performance structure of soccer.
When describing the match performance of professional soccer players, it becomes evident that a variety of contextual factors have an impact on their performance. ... mehrExamples of such contextual factors are the current scoreline or the quality of the opponent. Furthermore, also the tactical context (i.e. tactical factors) influences the match performance of professional players. These tactical factors include, for example, the position of a player or the tactical formation of a team. Studies analyzing the playing position or the tactical formation already indicate that tactical factors influence match performance. However, the current state of the literature does not cover all relevant questions on the influence of tactical factors on match performance. In detail, research questions that have not yet been sufficiently addressed concern changes in tactical formation during the match or the magnitude of the influence of tactical factors on match performance. Therefore, the aim of this thesis is the tactical contextualization of the match performance in professional soccer using the German Bundesliga as an example.
To gain an overview of the multitude of factors influencing match performance, a model of the individual complex match performance in professional soccer was developed. In detail, this model features the components of match performance (e.g. physical, technical, tactical- cognitive, and psychological) and factors influencing the match performance (e.g. Organism [Internal Factors] and Environment [External Factors]). Based on this model approach, questions and hypotheses were derived and investigated in Papers I to VI. First, a systematic review was conducted (Paper I), which summarized the existing literature on the influence of tactical formations on match performance in soccer. Based on this, three major research gaps were identified (Identified Research Gaps I to III), which subsequently were addressed by five original studies (Papers II to VI). All original studies were conducted using data from the
German Bundesliga. Match performance was mainly investigated in technical (e.g. number of III
passes) and physical (e.g. sprint distance) aspects. Additionally, variables linked to success were examined (e.g. goals). Tactical contextualization was conducted via the use of various tactical factors, such as playing position (e.g. central defender), tactical formation (e.g. 3-5-2), and offensive playing style (e.g. ball-possession style).
The results of the systematic review (Paper I) revealed that tactical formation influences match performance in soccer. At a team level, physical performance was lower in formations with a back four (e.g. 4-4-2) than in formations with a back three (e.g. 3-5-2). At an individual level, the physical match performance of all positions was influenced to a similar extent by tactical formation. Furthermore, aspects concerning the methodological approaches of existing literature were identified. Firstly, formation changes occurring during matches were not considered by the included studies. Consequently, this methodological aspect was investigated in the original studies in Identified Research Gap I – In-game Formation Changes. Secondly, the studies included in the review used only small samples (i.e. 16 to 61 matches) and mostly distinguished only two or three different tactical formations. Therefore, the original studies in Identified Research Gap II – Influence of Formation/Individual are dedicated to this issue. Finally, the influence of tactical factors on match performance in soccer was substantiated by the results of the systematic review. On this basis, the original study in Identified Research Gap III – Influence of Playing Style examined another tactical factor, namely offensive playing style, and its influence on match performance.
The studies in Identified Research Gap I – In-game Formation Changes (Paper II and Paper III) were able to reveal that in 30-43% of the games investigated, a change of formation took place during the match. Furthermore, most formation changes occurred in the second half (85- 95%). However, the situations in which a formation change during a match was observed differed depending on the coach.
The studies in Identified Research Gap II – Influence of Formation/Individual (Paper IV and Paper V) identified major differences in match performance between different tactical formations for central defenders, wide defenders, and wide midfielders. For example, central defenders in formations with a back three (e.g. 3-4-3 or 3-5-2) were more physically demanded than in other formations (e.g. sprinting distance). However, the differences in match performance between formations were smaller for central midfielders and forwards. Moreover, there were large interindividual differences in the way the tactical factors (i.e. tactical formation and playing position) influenced the match performance of a player.
Finally, the study in Identified Research Gap III – Influence of Playing Style (Paper VI) revealed that the offensive playing style (i.e. ball-possession or counter-attacking style) significantly influenced technical and physical match performance. For example, teams emphasizing a ball- possession style (i.e. compared to a counter-attacking style) played more horizontal passes and revealed a better passing success rate. However, variables linked to success (e.g. goals) were only influenced to a small extent by the offensive playing style.
In summary, the results of the studies included in this thesis highlighted the marked influence of tactical factors (e.g. playing position, tactical formation, playing style) on match performance in professional soccer. Accordingly, the consideration of tactical factors is important regarding the description and evaluation of match performance. Furthermore, the included investigations also generated relevant information for future research (e.g. consideration of formation changes during the game). With the implementation of the newly generated information, future studies can produce research results that are more robust and comparable, thereby contributing to important scientific progress. Concluding, this thesis provided information leading to a more differentiated view of the match performance in professional soccer and, therefore, comprised crucial information for researchers and practitioners. Nevertheless, one should consider match performance in soccer as a highly complex construct. Hence, due to the diversity of different influencing factors, it is hardly possible to explain match performance to the fullest extent. Therefore, this thesis is intended to be a module of the research work aiming to explain match performance in professional soccer to an increasing extent.