Abstract:
Roboter, die in der Lage sind direkte Objektübergaben, schnell, sicher, zuverlässig und flüssig mit Menschen auszuführen, haben das Potenzial einen wichtigen Beitrag zur zukünftigen Entwicklung in den Bereichen Industrie und Gesundheitswesen zu leisten. Roboter, die Menschen sowohl zu Hause als auch im Arbeitsumfeld sicher und reibungslos unterstützen, müssen in der Lage sein, gängige Alltagsgegenstände wie Werkzeuge oder Geschirr zu greifen, zu transportieren und zu übergeben. Aktuelle Fortschritte in der Robotik ermöglichen zunehmend sichere und zuverlässigere physische Interaktionen zwischen Robotern und Men-schen. ... mehrDennoch gelten direkte Objektübergaben zwischen Roboter und Mensch nach wie vor als offene Herausforderung in der Robotik-Community. Objektübergaben zwischen Menschen stellen in der Robotik eine Benchmark dar, die es in Bezug auf Geschwindigkeit, Flüssigkeit und Akzeptanz zu erreichen gilt. Bislang existieren keine einheitlichen Metriken zur objektiven Bewertung der Leistung von Objektübergaben, weder zwischen Menschen noch zwischen Mensch und Roboter. Um geeignete Leistungsparameter zur Bewertung der Mensch-Roboter-Interaktion zu identifizieren, ist ein detailliertes Verständnis der funktio-nalen Phasen von Objektübergaben sowie der zugrundeliegenden motori-schen und kognitiven Prozesse erforderlich. Ein tieferes Verständnis der ablaufenden Prozesse und die Möglichkeit, Objektübergaben anhand geeigneter Leistungsparameter zu bewerten, führen zu fundierteren Entscheidungen bei der Entwicklung und Gestaltung von Hard- und Softwarekomponenten, was wiederum zu sichereren und zuverlässigeren Mensch-Roboter-Interaktionen führt und damit die Zukunftsfähigkeit einer effektiven Mensch-Roboter-Koexistenz sichert.
Ziel dieser Arbeit ist es, durch gezielte Experimente sowohl Objektüber-gaben von Mensch zu Mensch als auch Objektübergaben von Roboter zu Mensch mit Alltagsgegenständen in alltagsnahen Übergabesituationen hinsichtlich ihrer Übergabeleistung zu bewerten. Die durchgeführten Experimente dienen dazu, eine Bewertungsgrundlage für Roboter zu schaffen und Herausforderungen für die Robotik im Bereich der physi-schen Objektübergabe aufzuzeigen und damit Impulse für die weitere Entwicklung zu geben. Die theoretischen Grundlagen dieser Arbeit tragen dazu bei, den Ablauf und die zugrundeliegenden Prozesse von Objekt-übergaben im Detail zu verstehen und damit eine breite Diskussionsbasis für die durchgeführten Übergabeexperimente zu schaffen.
Ein wichtiges technisches Ziel der Robotik ist es, Objektübergaben so schnell, reibungslos, sicher und robust zu realisieren wie von Mensch zu Mensch. Aus industrieller Sicht ist es für die Planung von Arbeitsschrit-ten von großer Bedeutung, über eindeutige Kennzahlen für die Leistungs-fähigkeit von Robotersystemen zu verfügen, die bei kollaborativen Aufgaben eingesetzt werden. Die quantitative Bewertung von Mensch-Mensch, Mensch-Roboter und Roboter-Mensch Übergaben ist sowohl für die wissenschaftliche Weiterentwicklung im Bereich der Mensch-Mensch Objektübergabe als auch für die technische Entwicklung neuer Hardware- und Softwarelösungen für Objektübergaben in der Robotik von großer Bedeutung. Die physische Übergabezeit ist eine wichtige Metrik, die es ermöglicht, sowohl Mensch-Mensch als auch Roboter-Mensch Übergaben hinsichtlich ihrer Leistung zu bewerten. Die physi-sche Übergabezeit kann mit einer Vielzahl von Messsystemen und unter-schiedlicher Sensorik erfasst werden und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Vergleichbarkeit von Untersuchungsergebnissen unterschied-licher Forschungsdisziplinen. Derzeit existieren einige Untersuchungen zur Objektübergabe, die die physische Übergabezeit analysieren. Der Schwerpunkt dieser Untersuchungen liegt jedoch auf der Analyse der Greifkraftmodulation. Da für diese Untersuchungen speziell angefertigte Objekte mit integrierter Sensorik verwendet wurden, ist unklar, ob die Messwerte der physischen Übergabezeit aus diesen Untersuchungen mit der Übergabe von Alltagsgegenständen vergleichbar sind. Dementspre-chend ist unklar, ob diese Werte als Referenzdaten für die Bewertung von Roboter-Mensch Übergaben herangezogen werden können. Um geeignete Benchmarkdaten zu generieren, werden in Experiment I Ob-jektübergaben von Mensch zu Mensch analysiert, die eine Bewertung und Einordnung der Übergabeleistung von bestehenden und in Entwick-lung befindlichen Robotersystemen ermöglichen. In diesem Experiment werden der Einfluss verschiedener Objekteigenschaften sowie der Ein-fluss visueller und auditiver Einschränkungen des Nehmers auf die physische Übergabezeit und die gemeinsame Objektführung untersucht. Die Daten aus Experiment I sowie die Ergebnisse aus der diskutierten Literatur zeigen, dass sowohl die Objekteigenschaften als auch die Wahrnehmungseinschränkungen des Nehmers einen großen Einfluss auf die Übergabezeit und auch auf die Objektführung haben. Je höher der Füllungsgrad eines Bechers, desto länger die physische Übergabezeit und desto länger die Objektführung. Visuelle und auditive Wahrnehmungs-einschränkungen des Nehmers führen zu signifikant längeren Übergabe-zeiten bei gleichzeitig signifikant geringerer Objektführung während der physischen Übergabe. Bei der Bewertung von Mensch-Mensch bzw. Roboter-Mensch Übergaben müssen daher Leistungsparameter wie Übergabezeiten, Übergabegeschwindigkeit und die Objektführung immer in Abhängigkeit von den Eigenschaften des zu übergebenden Objekts und der daraus resultierenden Handhabung sowie den Einschränkungen des Nehmers betrachtet werden.
In Experiment II werden Objektübergaben vom Roboter an den Menschen analysiert. Ein technisches Ziel in der Robotik ist es, Objektübergaben so gut angepasst an den Menschen wie möglich zu realisieren. Dabei ist unklar, welche Auswirkungen es hat, wenn der Roboter versucht, sich an den Menschen anzupassen, während der Mensch versucht, sich an den Roboter anzupassen. Die Anpassungsfähigkeit von Robotersystemen an den Menschen mit der Anpassungsfähigkeit des Menschen an den Robo-ter in Einklang zu bringen, stellt eine große Herausforderung in der Robotik dar. Um diese Fragestellung zu untersuchen, werden in Experi-ment II Objektübergaben vom Roboter an den Menschen analysiert. Der Fokus dieses Experiments liegt auf der Untersuchung des Einflusses einer hoch-adaptiven, an die Hand des Menschen angepassten Trans-portbewegung des Roboters im Vergleich zu einer festen Bewegungsbahn mit vorab festgelegter Zielposition sowie des Einflusses mehrerer Über-gabedurchgänge auf die Übergabeleistung im zeitlichen Verlauf. Als abhängige Variablen werden die physische Übergabezeit, die vorzeitige Übergabe-Intervention und die subjektive Wahrnehmung der Versuchs-personen untersucht. Bei den Roboter-Mensch Übergaben in Experiment II nimmt die physische Übergabezeit in beiden Versuchsgruppen inner-halb der ersten beiden Durchgänge signifikant ab. Die vorzeitige Überga-be-Intervention nimmt in der adaptiven Transportgruppe im Verlauf der Durchgänge signifikant zu, während die Bewertung des Sicherheitsemp-findens signifikant abnimmt. Im direkten Vergleich führt die adaptive Transportmethode nicht zu signifikant höheren physischen Übergabezei-ten als die nicht-adaptive Transportmethode. Die nicht-adaptive Trans-portmethode führt nicht zu signifikant vorzeitigeren Übergabe-Interventionen als die adaptive Transportmethode. Dagegen führt die adaptive Transportmethode zu signifikant niedrigeren Bewertungen des Vertrauens und der wahrgenommenen Sicherheit als die nicht-adaptive Transportmethode.
Im abschließenden Experiment III werden die Daten der physischen Übergabezeiten der Mensch-Mensch Übergaben aus Experiment I heran-gezogen, um die Ergebnisse der physischen Übergabezeiten der Roboter-Mensch-Übergaben aus Experiment II zu bewerten und im Kontext bestehender Literatur zu diskutieren. Durch den Vergleich der Daten der physischen Übergabezeiten aus Experiment I und Experiment II kann gezeigt werden, dass sich die Versuchspersonen in Experiment II sowohl bei der adaptiven als auch bei der nicht-adaptiven Transportmethode über mehrere Übergabedurchgänge gut an den Roboter gewöhnen konn-ten und der Roboter gleichzeitig in der Lage war, physische Übergabezei-ten auf dem Leistungsniveau von Mensch-Mensch Übergaben zu errei-chen.
Basierend auf den Erkenntnissen dieser Arbeit ist es entscheidend, bei der Bewertung von Robotersetups das erarbeitete Wissen über Objektei-genschaften, Wahrnehmungseinschränkungen sowie Anpassungsmecha-nismen des Menschen in die Interpretation der Leistungsdaten einfließen zu lassen, um die Übergabeleistung weder zu früh zu gut, noch zu früh zu schlecht zu bewerten.
Abstract (englisch):
Robots that can perform direct object manipulation quickly, safely, reliably, and fluidly with humans have the potential to make a significant contribution to the future development of industry and healthcare. Ro-bots that can safely and smoothly assist humans at home and at work must be able to grasp, transport, and hand over common everyday objects such as tools or dishes. Recent advances in robotics are increasingly enabling safer and more reliable physical interactions between robots and humans. However, direct object handover between robots and hu-mans is still considered an open challenge in the robotics community. ... mehrHuman-to-human object handovers represent a benchmark in robotics to achieve in terms of speed, fluidity, and acceptance. To date, no con-sistent metrics exist to objectively evaluate the performance of both human-to-human and human-to-robot object handovers. To identify appropriate performance metrics for evaluating human-robot interaction, a deeper understanding of the functional phases of object handovers and the underlying motor and cognitive processes involved in object hando-vers is required. A deeper understanding of the processes involved and the ability to evaluate object handovers using appropriate performance parameters will lead to more informed decisions in the development and design of hardware and software components, which in turn will lead to safer and more reliable human-robot interactions, ensuring the future viability of effective human-robot coexistence.
The goal of this work is to evaluate both human-to-human and robot-to-human object handovers with everyday objects in everyday handover situations with respect to their handover performance by means of tar-geted experiments. The experiments conducted serve to provide an evaluation basis for robots and to highlight challenges for robotics in the area of physical object handover and thus provide impetus for further development. The theoretical foundations of this work contribute to a detailed understanding of the sequence and underlying processes of object handovers and thus provide a broad basis for discussion of the handover experiments conducted.
An important technical goal of robotics is to realize object handovers as fast, smooth, safe and robust as from human to human. From an industrial perspective, having clear metrics for the performance of robotic systems used in collaborative tasks is essential for planning work steps. The quantitative evaluation of human-human, human-robot and robot-human handovers is of great importance for the scientific development in the field of human-human object handovers as well as for the technical development of new hardware and software solutions for object hando-vers in robotics. Physical handover time is an important metric for evalu-ating the performance of both human-human and robot-human hando-vers. Physical handover time can be measured using a variety of meas-urement systems and different sensor technologies, thus contributing to the comparability of study results from different research disciplines. Currently, there are several studies on object handover that analyze physical handover time. However, the focus of these studies is on the analysis of grip force modulation. Because these studies used custom-made objects with integrated sensors, it is unclear whether the physical handover time measures from these studies are comparable to the hando-ver of everyday objects. Accordingly, it is unclear whether these values can be used as reference data for the evaluation of robot-human hando-vers. In order to generate appropriate benchmark data, Experiment I analyzes human-to-human object handovers that allow for the evaluation and ranking of the handover performance of existing robot systems and those under development. In this experiment, the influence of different object properties as well as the influence of visual and auditory impair-ments of the taker on the physical handover time and the joint object guidance are investigated. The data from Experiment I, as well as the results from the discussed literature, show that both the object properties and the perceptual impairments of the taker have a strong influence on the handover time as well as on the object guidance. The higher the fill level of a cup, the longer the physical handover time and the longer the object guidance. Visual and auditory perceptual limitations of the taker lead to significantly longer handover times with significantly less object guidance during physical handover. Therefore, when evaluating human-human or robot-human handovers, performance parameters such as handover time, handover speed, and object guidance must always be considered in relation to the characteristics of the object to be handed and the resulting handling, as well as the impairments of the taker.
Experiment II analyzes the object handovers from robot to human. A technical goal in robotics is to implement object handovers that are as well adapted to humans as possible. It is unclear what the effects are when the robot tries to adapt to the human while the human tries to adapt to the robot. Reconciling the adaptability of robot systems to humans with the adaptability of humans to robots is a major challenge in robotics. To investigate this issue, Experiment II analyzes object handovers from robot to human. The focus of this experiment is to investigate the influ-ence of a highly adaptive robot transport motion, adapted to the human hand, compared to a fixed motion path with a predefined target position, as well as the influence of multiple handover runs on the handover performance over time. Physical handover time, premature handover intervention, and subjective perception of the subjects are investigated as dependent variables. For robot-human handovers in Experiment II, physical handover time significantly decreases in both experimental groups within the first two runs. The premature handover intervention significantly increases in the adaptive transport group over the course of the runs, while the safety perception rating significantly decreases. In a direct comparison, the adaptive transport method does not lead to signif-icantly higher physical handover times than the non-adaptive transport method. The non-adaptive transport method does not lead to significantly more premature handover interventions than the adaptive transport method. In contrast, the adaptive transport method results in significantly lower ratings of trust and perceived safety than the non-adaptive transport method.
In the final Experiment III, the data of the physical handover times of the human-human handovers from Experiment I are used to evaluate the results of the physical handover times of the robot-human handovers from Experiment II and to discuss them in the context of the existing literature. By comparing the physical handover time data from Experi-ment I and Experiment II, it can be shown that the subjects in Experiment II were able to get used to the robot over several handover runs in both the adaptive and non-adaptive transport method and that the robot was able to achieve physical handover times on the performance level of human-human handovers.
Based on the results of this work, it is crucial to incorporate the acquired knowledge about object properties, perceptual impairments, and human adaptation mechanisms into the interpretation of performance data when evaluating robot setups, in order to neither evaluate handover perfor-mance too good too early, nor too bad too early.