Abstract:
Ziel der vorliegenden Arbeit war die Entwicklung einer skalierbaren Methode zur kontinuierlichen Herstellung von funktionellen, submikrometer- und mikrometerstrukturierten Oberflächen.
Materialien werden zu funktionellen Oberflächen, indem sie durch eine Strukturierung ihrer Oberfläche eine zusätzliche, über die des Grundmaterials hinausgehende Eigenschaft erhalten. Ein biologisches Beispiel ist der Schwimmfarn \textit{Salvinia molesta}, dessen Oberfläche so strukturiert ist, dass er beim Untertauchen unter Wasser eine \qty{2}{\mm} dicke Luftschicht speichert. Dieser Effekt entsteht durch die Kombination aus einer hierarchisch strukturierten Blattoberfläche mit einer wechselnden Oberflächenchemie. ... mehrDie Strukturierung baut sich auf aus millimetergroßen Haaren, die mikrometergroße, schneebesenähnliche Enden (Trichome) besitzen. Die gesamte Oberfläche ist mit nanometergroßen Wachskristallen überzogen, diese führen zu einer hydrophoben Funktionalisierung. An den Spitzen der Trichome fehlen die Wachskristalle, dies macht die Spitzen hydrophil. Die Hydrophobie verhindert ein Benetzen der übrigen Oberfläche der Haare mit Wasser und erreicht das Speichern einer Luftschicht beim Eintauchen.
Eine technische Beschichtung mit gleicher Funktionalität könnte beim maritimen Einsatz mehrere Vorteile haben: Die gespeicherte Luftschicht erlaubt beim Einsatz an Booten Effizienzsteigerungen durch Reibungsreduktion zwischen Wasser und Feststoff. Biofouling, der unerwünschte Bewuchs mit Mikro- und Makroorganismen wird verhindert und es kommt zur Reduktion von akustischen Emissionen.
Für die hergestellte künstliche Struktur wurde die biologische Struktur adaptiert, anstelle statistisch verteilter, millimetergroßer Haare wurden mikrometergroße Säulen in einem orthogonalen Gitter verwendet. Jeweils bis zu 400 Säulen wurden auf der Oberfläche durch Wände in abgeschlossene Bereiche unterteilt (Kompartimentierung). Die kleinere der beiden hauptsächlich hergestellten und untersuchten Strukturen (P2.5H5) hatte einen Säulendurchmesser von $d =\qty{2,5}{\um}$, Säulenhöhe \qty{5}{\um}, die zweite Struktur (P25H50) war zehnmal größer ($d =\qty{25}{\um}\text{ } h =\qty{50}{\um}$).
Die hier entwickelte Methode zur kontinuierlichen großflächigen Herstellung kombiniert ein Extrusionsverfahren für Thermoplasten mit einer neu entwickelten Art von Strukturierungswalzen.
Mit einem Extrusionsverfahren mit Breitschlitzdüse kann eine Thermoplastschmelze im heißen Zustand auf eine negativ-strukturierte Walze appliziert werden, sie füllt die Kavitäten, erkaltet, wird dadurch positiv-strukturiert und erhält damit die lufthaltende Funktionalität. Die Walze erlaubt die kontinuierliche Herstellung von Folie, da sie gleichzeitig die Folienoberfläche strukturiert, das Abkühlen erlaubt und die Folie transportiert.
Die Strukturierungswalze besteht aus einem Metallkörper und einem aufziehbaren, negativstrukturierten Walzenmantel aus Silikon (\glqq{}Sleeve\grqq{}). Zur Herstellung dieser Negativstruktur wurde ein Flächenvergrößerungs-Verfahren adaptiert. Bei diesem Verfahren erfolgte zuerst die fotolithografische Herstellung der Säulenstruktur mittels Direct Laser Writing (Masterstruktur). Danach konnte die Größe der strukturierten Oberfläche durch wiederholte Abformung, Zuschnitt, Verbinden und erneute Abformung vervielfacht werden. Zur Herstellung des Sleeves wurden die Enden der Silikonfläche verbunden.
Das Neuartige am hier entwickelten Verfahren ist der Einsatz von permeablem Silikon für den Walzenmantel: Das eingeschlossene Gas muss nicht mittels Druck verdrängt beziehungsweise komprimiert werden, sondern kann diffusiv in die Form entweichen und ermöglicht die Replikation bei atmosphärischem Druck. Gleichzeitig erlaubt die permeable Walze die Implementierung einer neu entwickelten Differenzdruck-Unterstützung: Durch eine Kombination von permeablem Mantel und permeabler Walzenform kann im Walzeninneren ein Unterdruck erzeugt werden, wodurch eine Kraft auf die Thermoplastoberfläche wirkt, die die Abformung beschleunigt.
Die Untersuchung der hergestellten Folien bei Variation der verschiedenen Produktionsparameter (Düsentemperatur, Vorheizungstemperatur, Differenzdruck) verdeutlichte die Bedeutung des Prozesszeitfensters $t_{\text{Prozess}}$,
definiert als Zeitraum, in dem die Viskosität des Thermoplasten eine Replikation erlaubt.
Bei deutlich zu kurzem Prozesszeitfenster kam es zur Dellenbildung in der Folie, da es nicht zum Eindringen des Thermoplasten in die Kavität kam. Wenn das Prozesszeitfenster nur knapp überschritten wurde, kam es zur Teilabformung, mit unterschiedlichen Säulenhöhen. Nur wenn das Prozesszeitfenster ausreichend lang war, kam es zur vollen Abformung der Säulenstrukturen.
Das Prozesszeitfenster war dabei abhängig von der Strukturgröße. Kleinere Strukturen erreichen bei gleichen Bedingungen eine höhere Abformung, da hier der wirkende Kapillardruck größer ist. Auch muss bei kleineren Strukturen weniger Strukturvolumen gefüllt werden, weshalb eine schnellere Abformung gelingen kann.
Die Vorheizung erhitzte die Strukturwalze unmittelbar vor der Extrusionszone, es zeigte sich eine deutliche Abhängigkeit der erreichbaren Strukturhöhe von der Oberflächentemperatur des Sleeves.
Der angelegte Differenzdruck hatte ebenso großen Einfluss auf die Abformung der Säulenstrukturen. Die Differenzdruck-Unterstützung ermöglichte bei der P2.5H5-Struktur eine Füllhöhensteigerung um \qty{17}{\percent}, bei der P25H50-Struktur um \qty{66}{\percent}.
Die Standzeit der Strukturierungswalzen wurde während einer Produktion von 1000 m Folie, durch Elektronenmikroskop-Untersuchungen und Kontaktwinkelmessungen, evaluiert. Es wurde die Replikationsrate, als Anteil vollständiger Säulen zu allen Säulen in einer definierten Anzahl von Kompartimenten, bestimmt. Diese Replikationsrate war über die gesamte Produktion sehr hoch ($m_{\text{W}} =$ 99,9 Prozent), ohne Degradation mit fortschreitender Produktion.
Es folgen die Ergebnisse zu Untersuchungen der Funktionalität der lufthaltenden Folie in verschiedenen Szenarien, darunter dynamische Lufthaltungstests und der Einsatz als Schiffsbeschichtung.
Bei der Untersuchung der Lufthaltung wurden bei hohen Geschwindigkeiten (bis zu \qty{7,6}{\meter\per\second}) Haltedauern von bis zu \qty{4}{\hour} erreicht. Im Vergleich zur empirischen Hughes-Linie konnten Reibungsreduktionen von bis zu \qty{8,3}{\percent} gemessen werden. In der Verwendung als Rohrinnenbeschichtung konnten Reibungsreduktionen von bis zu \qty{9,0}{\percent} bei P2.5H5 gemessen werden, wobei die Reduktion mit steigender Fließgeschwindigkeit abnahm. Bei der größeren P25H50-Struktur war die Reibungsreduktion bis zu \qty{10,3}{\percent}. In der produktähnlichen Verwendung als Schiffsbeschichtung konnte die hergestellte Folie Lufthaltung über fünf Tage bei Wassertiefen von bis zu einem Meter zeigen, der Verarbeitungsaufwand war dabei vergleichbar mit kommerziell erhältlichen Industrieprodukten.
Nachfolgend wurden zwei Modifikationen des Prozesses entwickelt: Erstens eine Methode zur Herstellung von mikrometerinnenstrukturieren Schläuchen.
Diese begann mit der Anpassung des Prozesses zur Herstellung eines strukturierten Bandes, auf das eine Riblet-Struktur aufgebracht wurde. Aus diesem Band konnte in einem anschließenden Prozessschritt durch einen Projektpartner ein Schlauch gewickelt und verschweißt werden. Der Erhalt der Oberflächenstrukturierung konnte durch REM-Untersuchungen bestätigt werden.
Zweitens wurde eine Methode zur Herstellung von nano\-meter\-strukturierten Brechungsgittern implementiert, bei der aufgrund der kleineren Masterstrukturfläche ein teilstrukturierter Sleeve eingesetzt wurde. Die Herstellung der optischen Strukturen erfolgte kontinuierlich in Ethylen-Vinylacetat und Polyethylen. Bei der nachfolgenden Elektronen\-mikroskop-Untersuchung zeigten beide Oberflächen auffällige Abweichungen zum Strukturdesign, die sich jedoch nicht auf die Beugungsfarben auswirkten.
Das entwickelte Verfahren ist eine neuartige, skalierbare Herstellungsmethode für submikrometer- und mikrometerstrukturierte Oberflächen, die durch die Kombination von Silikongussformen mit einem Extrusionsverfahren die großflächige Herstellung qualitativ hochwertiger funktioneller Oberflächen erlaubt. Zukünftige Forschung zielt sowohl auf eine weitere Erhöhung der Produktionsgeschwindigkeit, beispielsweise durch Verwendung innenbeheizter Walzen, als auch auf eine Erweiterung des Verfahrens auf hierarchische Strukturen mit Kombination mehrerer Längenskalen (nm - µm - mm).
Abstract (englisch):
The goal of the presented thesis was the development of a scalable method for the continuous production of functional, submicrometer and micrometer structured surfaces.
Materials become functional surfaces by structuring their surface to give them an additional property over and above that of the base material. A biological example is the floating fern \textit{Salvinia molesta}, whose surface is structured in such a way that it stores a \qty{2}{\mm} thick layer of air when submerged under water. This effect is created by the combination of a hierarchically structured leaf surface with a changing surface chemistry. ... mehrThe structure is made up of millimeter-sized hairs with micrometer-sized, whisk-like ends (trichomes). The entire surface is coated with nanometre-sized wax crystals, which lead to hydrophobic functionalization. The wax crystals are missing at the tips of the trichomes and therefore these are hydrophilic. The hydrophobicity prevents the other surface of the hair from being wetted with water and a layer of air is stored when the hair is immersed.
A technical coating with the same functionality may have several advantages in maritime use: When applied on boats, the stored air layer allows efficiency increases by reducing friction between water and solids. Biofouling, the unwanted growth of micro- and macroorganisms, is prevented and acoustic emissions are reduced.
The biological structure was adapted for the artificial structure; instead of statistically distributed, millimeter-sized hairs, micrometer-sized pillars were used in an orthogonal grid. Up to 400 pillars were subdivided into closed areas on the surface by walls (compartmentalization). The smaller of the two main structures produced and investigated (P2.5H5) had a pillar diameter of $d =\qty{2.5}{\um}$, pillar height \qty{5}{\um}, the second structure (P25H50) was ten times larger ($d =\qty{25}{\um}$, $h =\qty{50}{\um}$).
The method developed here for continuous large-area production combines an extrusion process for thermoplastics with a newly developed type of structuring rolls. The availability of a continuous manufacturing method that is scalable to large areas enables many technical applications.
Using an extrusion process with a wide-slot die, a thermoplastic melt can be applied to a negatively structured roll while hot; it fills the cavities, cools, becomes positively structured and thus obtains its air-retaining functionality. The roll enables the continuous production of film, as it simultaneously structures the film surface, allows cooling and transports the film.
The structuring roll consists of a metal body and a pull-on, negatively structured roll coat made of silicone (\glqq{}sleeve\grqq{}). An area enlargement process was adapted to produce this negative structure. In this process, the pillar structure was first produced photolithographically using direct laser writing (master structure). The size of the structured surface could then be multiplied by repeated molding, cutting, joining and re-molding. The ends of the silicone surface are joined to produce the sleeve.
The novelty of the process developed here is the use of permeable silicone for the roll shell: the enclosed gas does not have to be displaced or compressed by pressure, but can escape diffusively into the mold and enables replication at atmospheric pressure. At the same time, the permeable roll allows the implementation of a newly developed differential pressure support: A combination of permeable jacket and permeable roll shape can generate a negative pressure inside the roll, which exerts a force on the thermoplastic surface that accelerates molding.
The investigation of the films produced by varying the various production parameters (nozzle temperature, preheating temperature, differential pressure) highlighted the importance of the process time window $t_{\text{Process}}$, defined as the period in which the viscosity of the thermoplastic allows replication.
If the process time window was significantly too short, dents formed in the film as the thermoplastic did not penetrate into the cavity. If the process time window was only just exceeded, a partial replication with different pillar heights was taken. Only if the process time window was long enough, the pillar structures were fully molded.
The process time window depended on the size of the structure. Under the same conditions smaller structures achieved a higher replication height, as the capillary pressure acting on them is greater. Smaller structures also required less structural volume to be filled, which is why a faster replication could be achieved.
The preheating system heated the structure roll directy before the extrusion zone, which showed a clear dependence of the achievable structure height on the surface temperature of the sleeve.
The applied differential pressure also had a major influence on the molding of the pillar structures. The differential pressure support enabled an increase in filling height of \qty{17}{\percent} for the P2.5H5 structure and \qty{66}{\percent} for the P25H50 structure.
The service life of the structuring rolls was evaluated during the production of 1000 m of film using electron microscope examinations and contact angle measurements. The replication rate was determined as the ratio of complete pillars to all pillars in a defined number of compartments. This replication rate was very high over the entire production length ($m_{\text{W}} =$ \qty{99.89(0.1)}{\percent}), with no degradation as production progressed.
Following are the results of investigations into the functionality of the air-retaining foil in various scenarios, including dynamic air-retention tests and application as a marine coating.
In the investigation of air retention, retention times of up to \qty{4}{\hour} were achieved at high speeds (up to \qty{7.6}{\meter\per\second}). Compared to the empirical Hughes line, friction reductions of up to \qty{8.3}{\percent} were measured. Friction reductions of up to \qty{9.0}{\percent} at P2.5H5 were measured when used as an internal pipe coating, whereby the reduction decreased with increasing flow velocity. For the larger P25H50 structure, the friction reduction was up to \qty{10.3}{\percent}. In the product-like application as a marine coating, the film produced was able to demonstrate air retention for five days at water depths of up to one meter, with the processing effort being comparable to commercially available industrial products.
Two modifications to the process were subsequently developed: Firstly, a method for producing internally micrometerstructured tubes.
This began with the adaptation of the process for the production of a structured tape to which a riblet structure was applied. In a subsequent process step, this tape was wound and welded into a hose by a project partner. The preservation of the surface structure was confirmed by scanning electron microscopy examinations.
Secondly, a method for producing nanometer-structured refractive gratings was implemented in which a partially structured sleeve was used due to the smaller master structure area. The optical structures were produced continuously in ethylene vinyl acetate and polyethylene. In the subsequent electron microscope examination, both surfaces showed conspicuous deviations from the structure design, which, however, did not affect the diffraction colors.
The developed process is a novel, scalable manufacturing method for submicrometer and micrometer structured surfaces, which allows the large-scale production of high-quality functional surfaces by combining silicone sleeves with an extrusion process. Future research is aimed at both further increasing production speed and expanding to hierarchical structures as a combination of several length scales (nm -µm - mm).