Abstract:
Im Zuge der vorliegenden Arbeit wurde eine Strategie für eine kontinuierliche Abwasseraufbereitung mittels Mikroalgen im 24-Stunden Betrieb entwickelt. Basis hierfür war zunächst die Etablierung eines geeigneten Abtrennsystems für die Mikroalgenzellen mit dem Ziel der kultivierungsbegleitenden Zellrückführung. Weiterhin stand der Stoffwechsel der Mikroalge Chlorella vulgaris (Biomassezusammensetzung und Nährstoffaufnahme) während kontinuierlicher Kultivierungen bei Licht und Dunkelheit im Fokus. In einem vereinfachten Modell konnten im Anschluss die Zusammenhänge verschiedener Limitierungszustände des Mikroalgenwachstums verbildlicht werden. ... mehrDarauf aufbauend wurden die experimentellen Daten mittels des Modells und dem damit verbundenen Konzepts der aktiven Biomasse ausgewertet und die so gewonnenen Erkenntnisse für die Prozessoptimierung der Abwasseraufbereitung eingesetzt.
Als geeignete Methode zur Mikroalgenabtrennung wurde die Membranfiltration ausgewählt und zwei Abtrenneinheiten im Labor- und Pilotmaßstab (Mini-Harvester (~100 mL) und Harvester (~12 L)) erfolgreich entwickelt und umgesetzt. Das eingesetzte, kommerziell erhältliche Membranmodul des Harvesters ist aus in drei Bündeln angeordneten Membranhohlfasern aus Polyvinylidenfluorid (PVDF) mit einem nominalen Porendurchmesser von 0,03 µm aufgebaut. Die Ausstattung der Anlage mit Sensorik (Messung von Durchflüssen, Drücken, Trübung) war für Forschungszwecke ausgelegt, eine Reduzierung des apparativen Aufwands kann je nach Anforderungen der Trennaufgabe geschehen. Für Versuche im Labormaßstab wurde der Mini-Harvester als Maßstabsverkleinerung des Harvesters mit analoger Geometrie konzipiert, wobei 12 einzelne Hohlfasern des Membranmoduls eingesetzt wurden. Der Mini-Harvester war an das am Institut vorhandene Photobioreaktor-Kultivierungssystem (zylindrischer, beleuchteter Glasreaktor, 2 L Arbeitsvolumen) koppelbar, wodurch ein Algen Membran-Photobioreaktor aufgebaut werden konnte.
Zunächst war die Charakterisierung der Membran mit Wasser sowie Mikroorganismensuspensionen (Saccharomyces cerevisiae, Chlorella vulgaris) an der Filtrationsanlage Harvester Gegenstand der experimentellen Arbeiten. Für die eingesetzte Membran konnte eine Funktion des zu erwartenden Reinstwasser-Filtrat-Flux in Abhängigkeit des angelegten Transmembrandrucks (TMP) ermittelt werden. Bei der Filtration zellhaltiger Suspensionen war ein linearer Zusammenhang zwischen kritischem Flux und Biomassekonzentration messbar, wobei vergleichsweise hohe Werte des kritischen Fluxes von 15,57 bzw. 10,08 L·m-2·h-1 für dichte Mikroalgenkulturen (4,8 und 10,0 g·L-1) erreicht wurden. Zudem konnte mit der eingesetzten Membran ein stabiler und kontinuierlicher Filtrationsbetrieb für mehr als eine Stunde bei einer Mikroalgenkonzentration von 40 g·L-1 im Retentat aufrechterhalten werden. Der Harvester zeichnete sich im Betrieb als energiearm und leistungsfähig aus: bei einer Aufkonzentrierung einer Mikroalgensuspension um Faktor 20 auf eine finale Konzentration von 40 g·L-1 wurden lediglich 1,05·10-2 kWh pro kg geernteter Zellen benötigt. Damit ist die Filtrationsanlage prädestiniert für einen Einsatz im Abwasserbereich.
Zur Reduktion von Membran-Fouling wurden Frequenz und Dauer von periodischem Rückspülen (Mini-Harvester) und Pausieren (Harvester) sowie eine Belüftung der Membran (Harvester) als Maßnahmen untersucht. Dabei wurde eine Belüftungsrate der Membranfasern von 1,25 vvm als Optimum identifiziert. Ein Rückspülen in einer Frequenz von 30 min für eine Dauer von 60 s wurde zudem für einen effizienten Filtrationsbetrieb festgestellt. Periodische Pausen waren für zwei Kombinationen aus Frequenz und Dauer (15 min/30 s sowie 30 min/60 s) gleichermaßen effektiv in der Fouling-Reduktion. Nichtsdestoweniger sind Frequenz und Dauer beider Maßnahmen (Rückspülen und Pausieren) an die jeweilige Aufgabenstellung anzupassen.
Eine Untersuchung des Fouling-Verhaltens der verschiedenen Komponenten einer Mikroalgensuspension fand mit Hilfe des Mini-Harvesters statt und ergab die stärkste Fouling-Neigung bei Anwesenheit aller enthaltenen Bestandteile (Zellen, Zelldebris, gelöste Organik). Die enthaltenen Zellen schützten die Membran allerdings vor der Penetration gelöster Organik, wodurch das Fouling durch Rückspülen effizient entfernt werden konnte und somit als reversible klassifiziert wurde. Beim Einsatz realer Abwässer als Kulturmedium trug die enthaltene Organik (32,3 mgTOC·L-1) einen erheblichen Teil zum Fouling bei. Die durch die Mikroalgen gebildeten extrazellulären Polysaccharide zeigten im Vergleich dazu eine geringere Fouling-Neigung. Morphologische Unterschiede zwischen Mikroalgenspezies spielten lediglich eine untergeordnete Rolle bei der Fouling-Bildung. Nährstofflimitierungen in der stationären Wachstumsphase einer Mikroalgenkultur zeigten trotz hoher Biomassekonzentrationen eine verringerte Fouling-Neigung im Vergleich zu Zellen in der exponentiellen Wachstumsphase.
Die kontinuierliche Kultivierung der Mikroalge Chlorella vulgaris bei einem Hell/Dunkel-Zyklus von 16 h:8 h bei verschiedenen Verdünnungsraten D (D = 0,0 d-1-1,0 d-1 in 0,1 d-1-Schritten) zeigte einen Wechsel der Limitierungszustände des Mikroalgenwachstums von einer Nährstoff- hin zu einer Lichtlimitierung. Dabei fand ein an reale Abwässer angepasstes synthetisches Abwasser als Kulturmedium Einsatz, wobei das molare Verhältnis der Nährstoffe Stickstoff und Phosphor mit ~9:1 unterhalb des physiologischen Optimums, ausgedrückt durch das sogenannte Redfield Verhältnis, von 16:1 lag. Mit zunehmender Verdünnungsrate D kam es zu einer Abnahme der Biomassekonzentration (von 4,00 g·L-1 auf 1,35 g·L-1) ab einem Schwellenwert von D = 0,3 d-1. Durch die Reduktion wurde der erhöhte Photonenbedarf der Zellen zur Aufrechterhaltung der aufgezwungenen Wachstumsrate gedeckt. Für alle getesteten Verdünnungsraten war eine vollständige Phosphoraufnahme aus dem synthetischen Abwasser nachweisbar, wodurch die Fähigkeit von Chlorella vulgaris zur Phosphatspeicherung (sog. luxury uptake) demonstriert wurde. Der Schwellenwert der vollständigen Stickstoffaufnahme lag bei D = 0,6 d-1 und markiert damit das Limit des Systems für eine Anwendung zur Abwasserreinigung. Eine Variation der Zusammensetzung der Biotrockenmasse in Abhängigkeit der angewandten Durchflussrate war außerdem messbar. Unter Nährstofflimitierung (bis D = 0,4 d-1) konnte die Bildung von kohlenstoffhaltigen Speicherstoffen (Stärke und Lipide) nachgewiesen werden. Eine engmaschige Beprobung der Nachtphase fand mit Fokus auf Nährstoffaufnahme und Zellzusammensetzung statt, wobei für eine spezifische Verdünnungsrate (D = 0,4 d-1) in einem zusätzlichen Experiment die Zugabe von Stickstoff zu Beginn der Nachtphase erfolgte. Die Ergebnisse zeigten eine nächtliche Synthese von Proteinen auf Kosten intrazellulärer Kohlenstoffspeicher (hauptsächlich Stärke) bei einer zeitgleichen Aufnahme von Stickstoff. Zudem wurde die Teilung der Zellen circa 2 h nach Beginn der Nachtphase vermutet.
Eine Auswertung der beschriebenen experimentellen Daten fand zudem unter dem Konzept der sogenannten aktiven Biomasse statt. Darunter wird die leicht lichtlimitierte Mikroalgenzelle ohne Speicherstoffe (Kohlehydrate und Lipide) verstanden. Dadurch konnten ein konstanter intrazellulärer Stickstoffgehalt von 12 % sowie Proteingehalt von 68 % bestimmt werden.
Basierend auf den experimentellen Daten wurde ein bestehendes Modell des Mikroalgenstoffwechsels um die Fähigkeit zur Bildung intrazellulärer Speicher erweitert. Dabei wurde konkret die Speicherung von Phosphor in sogenannten Granula sowie die Bildung wasserfreier Stärkekörner integriert. Das Modell wurde als Grundlage für die Konzeption und Berechnung der kontinuierlichen Prozessstrategie zur 24 h Abwasseraufbereitung eingesetzt. Dabei wurden die Rückführung von Zellen sowie die Adaption der makromolekularen Zusammensetzung einer Mikroalgenzelle (vor allem Bildung des Energiespeichers Stärke) als Freiheitsgrade zur Beeinflussung des Prozesses berücksichtigt. Der Abwasseraufbereitungsprozess wurde für einen virtuellen Tag aus jeweils 6-stündigen Phasen mit konstanter Lichtintensität bzw. ohne Lichteintrag (Nacht) berechnet. Dabei wurde vor- und nachmittags eine Lichtintensität von 350 µmol·m-2·s-1, mittags eine Lichtintensität von 700 µmol·m-2·s-1 in Abgleich mit realen Wetterdaten festgelegt. Die Abschöpfung und externe Speicherung von stärkereicher Algenbiomasse über die Mittagszeit sowie eine Rückführung dieser Biomasse in der Nacht wurden als Maßnahmen zur vollständigen Aufnahme der Nährstoffe Stickstoff und Phosphor auch in der Nacht identifiziert. Zudem wurde eine Reduktion der verfügbaren Lichtmenge auf jeweils 80 % zur Simulation eines bewölkten Tages im Szenario berücksichtigt und konnte eine ausreichende Abwasserreinigung zeigen.
Abstract (englisch):
In the present work, a wastewater treatment strategy using microalgae for continuous 24 h operation was developed. First a suitable microalgae separation system was established which allowed cell recycling during a cultivation. Furthermore, the metabolism of the microalgae Chlorella vulgaris (biomass composition and nutrient uptake) was studied during a continuous cultivation applying a light/dark regime of 16 h:8 h. The correlation of different factors limiting the growth and metabolism of microalgae could be visualized in a simplified generic model. The experimental data was evaluated using this model and the related concept of active biomass. ... mehrThis enabled the microalgae-based wastewater treatment process to be optimized.
Membrane filtration was selected for microalgal harvesting, and two separation units (laboratory-scale: Mini-Harvester (~100 mL) and pilot-scale: Harvester (~12 L)) were successfully developed and implemented. The commercially available membrane module used for the Harvester is composed of polyvinylidene fluoride (PVDF) membrane hollow fibers with a nominal pore diameter of 0.03 µm, arranged in three bundles. The equipment of the Harvester with sensors (for flow rates, pressures, turbidity) was designed for research purposes. A reduction of its complexity is easily possible. For laboratory-scale experiments, the Mini-Harvester was designed as a scale-down version of the Harvester with analogous geometry, using 12 individual hollow fibers of the membrane module. The Mini-Harvester could be coupled to the photobioreactor cultivation system available at the institute (cylindrical, illuminated glass reactor, 2 L working volume), allowing to generate an algae-membrane-photobioreactor.
At first the membrane was characterized on the Harvester using water and microorganism suspensions (Saccharomyces cerevisiae, Chlorella vulgaris). The membrane’s pure water flux could be determined as a function of the applied transmembrane pressure. A linear relationship between critical flux and biomass concentration was measurable for the filtration of cell-containing suspensions, with dense microalgal cultures (4.8 and 10.0 g·L-1, respectively) leading to comparatively high critical fluxes of 15.57 and 10.08 L·m-2·h-1. The membrane enabled a stable and continuous filtration for more than one hour with a microalgae concentration of 40 g·L-1 in the retentate. The Harvester was classified as highly efficient and low-energy consuming during operation: a microalgae suspension could be concentrated by factor 20 to 40 g·L-1 in the retentate requiring only 1.05·10-2 kWh per kg of harvested cells. This predestines the Harvester for use in the wastewater sector.
To reduce membrane fouling, the frequency and duration of periodic backflushing (Mini-Harvester), pausing (Harvester) and membrane aeration (Harvester) were investigated. An aeration rate of 1.25 vvm was identified as optimal. Backwashing every 30 min for 60 s enabled efficient filtration. Periodic pauses were effective in reducing fouling for two combinations of frequency and duration (15 min/30 s and 30 min/60 s). Nevertheless, the frequency and duration of both, backwashing and pausing, must be adapted according to the process needs.
The fouling behavior of the individual components of a microalgae suspension was investigated using the Mini-Harvester. This revealed that native solutions containing cells, cell debris and dissolved organic matter show the strongest fouling tendency. However, when cells were present, they protected the membrane from being penetrated by dissolved organic molecules. In this case fouling could be prevented by backwashing and thus was classified as reversible. When real wastewater was used as culture medium, its dissolved organic load (32.3 mgTOC·L-1) contributed significantly to membrane fouling. In comparison, microalgal extracellular polysaccharides showed a lower fouling tendency. Morphological differences between microalgal species had a minor impact on fouling formation. Nutrient limitation in the stationary growth phase of a microalgal culture reduced its fouling tendency compared to cells in the exponential growth phase, despite higher biomass concentrations.
Continuous cultivation of the microalga Chlorella vulgaris with a light/dark regime of 16 h:8 h and different dilution rates D (D = 0.0 d-1-1.0 d-1 in 0.1 d-1 steps) revealed that the limiting factors of microalgal growth changed from nutrient to light limitation. The synthetic wastewater used as culture medium exhibited a molar ratio of the nutrients nitrogen and phosphorus of ~9:1, which is below the physiological optimum of 16:1, expressed by the so-called Redfield ratio. Above a threshold of D = 0.3 d-1, an increasing dilution rate led to a decrease in biomass concentration (from 4.00 g·L-1 to 1.35 g·L-1)). This reduction enabled the cells to meet their energy demand enlarged by the imposed growth rate. A complete phosphorus uptake from the synthetic effluent was measurable for all dilution rates tested, demonstrating the ability of Chlorella vulgaris to store phosphate (so-called luxury uptake). The limit of the system for the use in wastewater treatment was marked by the threshold value of complete nitrogen uptake of D = 0.6 d-1. Furthermore, the cellular macromolecular composition varied in correlation to the applied flow rate. Nutrient limitation (up to D = 0.4 d-1) led to the synthesis of carbon-rich storage components (starch and lipids). The night phase was sampled with focus on nutrient uptake and cell composition. For a specific dilution rate (D = 0.4 d-1), nitrogen was added at the beginning of the night phase in an additional experiment. The results showed a nocturnal synthesis of proteins at the cost of intracellular carbon-rich storage components (mainly starch) with a simultaneous nitrogen uptake. In addition, cell division was assumed to occur approximately 2 h after the beginning of the dark phase.
An evaluation of this experimental data was done applying the concept of the so-called active biomass. This concept describes the slightly light-limited microalgae cell without carbon-rich storage components (carbohydrates and lipids). Thus, a constant intracellular nitrogen content of 12 % and protein content of 68 % could be determined.
Based on the experimental data, an existing model of microalgal metabolism could be improved by demonstrating the cell’s ability to synthesize intracellular storages. Specifically, the storage of phosphorus in granule and the synthesis of anhydrous starch were integrated into the model. The model was used as a basis to design and calculate a continuous process strategy for a 24 h wastewater treatment. Cell recycling as well as the adaptation of the macromolecular composition of a microalgae cell (especially the formation of starch as an energy storage) were considered as degrees of freedom to manipulate the process. The wastewater treatment process was calculated for a virtual day consisting of 6 h phases with constant light intensity or without light (night). Considering real weather data, a light intensity of 350 µmol·m-2·s-1 was specified for the morning and afternoon, while a light intensity of 700 µmol·m-2·s-1 was specified for noon. Skimming and external storage of the starch-rich algal biomass at noon and recycling of this biomass at night were identified as tools for the complete uptake of the nutrients nitrogen and phosphorus also at night. In addition, a reduction of the available amount of light to 80 % in each period to simulate cloudy days was considered in the scenario and showed sufficient wastewater treatment.